Laudatio

Einführende Worte zur Eröffnungsfeier des 8. Symposiums in Behringen/Hütscheroda am 12.6.04

 

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kunstfreunde, werte Gäste und Künstler,

Temporäre Kunstobjekte setzen in dieser schönen Landschaft wiederum neue Akzente, die in der Zeit vom 7.6.04-12.6.04 entstanden sind. Ja, sie setzen andere Markierungen in die Landschaft, als die Arbeiten, die in den vergangenen Symposien entstandenen sind. Spannungsvoller im Landschaftraum wirken sie. Dennoch verbinden sie sich mit ihnen, reagieren auf Blickachsen, erzeugen Kontraste und Spannungen und unterstreichen die eine oder andere Wirkung von dem Natur-Kunst-Raum. Ihre Originalität und ihr bewusstes Verweben mit der Natur macht sie zu spannenden Markierungen. Der Kunst- und Wanderfreund kann sie nun temporär am Rande des Haininchs erkunden. Vermag er die stillen und einsamen Wege suchen, so findet er nun diese neuen künstlerischen Akzente, vielleicht in der Form verwebter Nester, gewebter Teppiche oder Umhüllungen, die sich mit Bäumen, Sträuchern und Wiesen verbinden.
Es sind in der Tat in diesem Symposium sehr temporäre Installationen entstanden, die von der Jury im Februar 2004 ausgewählt wurden, die mit Naturmaterial aus dem Hainich arbeiteten. So präsentieren zehn Künstler, neun aus Deutschland, einer aus der Türkei, Arbeiten zum Thema: "Temporäre Kunstobjekte und Installationen am Nationalpark Hainich". Die Künstler arbeiteten vornehmlich mit Naturmaterial und oder Fundstücken wie: Ästen, Erde, Ton, Flaschen, Pflanzen, Heu, Blumen, usw. Der endlose Kreislauf zwischen Werden und Vergehen wird durch jene Objekte und Installation nur zu gut unterstrichen. Diese "Temporären Störungen" werden im Landschaftsraum zu Kunstobjekten, die teilweise nur wenige Wochen zu sehen und zu erleben sind. Schnell wird der Wind, der Regen und die Sonne diese Arbeiten verändern. Alles ist im Fluss, alles unterliegt der stetigen Veränderung, sagte schon Heraklit. Wie schnell sich diese Installationen verändern werden, wird sich zeigen. Unter den beteiligenden Künstlern befindet sich die Weberin Ulrike Drasdo aus Hohenfelden. Auf dem kleinen Teich hinter dem Herrenhaus entstand ein Tor aus Naturmaterialien und ein leuchtender ca. 20 Schritte langer Teppich aus Weidenruten und Naturmaterial. Ihren Teppich lässt sie Gedankenversunken über das Wasser gleiten, erinnernd an das Schicksal der Ophelia, die im Blumenmeer ertrinkt. Ihr Weg führt durch das Tor, schwimmt über das Wasser und steigt zum anderen Ufer wieder hinauf. Im schier endlosen Rhythmus der Formen, Farben und Materialien beginnt er ein Spiel mit der Wasseroberfläche und dem einfallendem Licht. Dadurch verändert der Teppich seine Wirkung fortwährend. Schwimmende und nicht schwimmende Materialien hat sie in ihrer meditativen Arbeitweise zusammengefügt, ja verwebt. Äste von Nadelbäumen, Rapsblüten, Sonnenblumenstängel, Thymian und nicht zu letzt leuchtende Mohnköpfe verbinden sich hier zu einem Farbteppich, der melodisch über das Wasser treibt. Der Gott Hypnos gleitet dann vielleicht wie sie selbst sagt " dann und wann sind es unsere Gedanken und Träume, die zu einem anderen Ufer schweben". Hypnos- "Als Symbol der Erde und des Schlafes" zeigt sich im Mohn. Mit dem Weg zeigt sie eine neue Wahrnehmung für den Be-trachter, der sich virtuell durch das Tor begeben muss und dann schließlich auf den Weg gelangt. Ulrike Drasdos markanten und sehr sensibel gewebten Strukturen verleiht der Oberfläche des Was-sers eine neue Rhythmik. Mit der Fantasie der Künstlerin entstand eine kleine schwimmende Insel im Teich. Unter dem Torbogen betreten wir eine neue Welt. Vielleicht eine neue Wirklichkeit, die sanft über das Wasser dahinschwebt, im Schatten der Bäume nach Ophelia ruft oder kommt sie schon? Zwischen den Baumgruppen, in der Nähe des Teiches, schuf der Stuttgarter Künstler Reinmar Senftleben seine Installation, die eine Metamorphose am ehemaligen kleinen Wasserfall beschreibt. Hier bezieht sich Reinmar Senftleben direkt auf den Ort, der früher einmal von einem kleinen Wasserfall akzentuiert wurde. Sein Fundstück, der Fisch seiner Installation aus dem Park in Behringen, wird als Relikt der alten Installation mit dieser Arbeit verbunden. Sein "Fisch" wurde durch seine Performance verändert und verwandelt, indem er ihn mit Sackleinen füllte und er in einer Feuerperformance eine neue Form erhielt. Reinmar Senftleben spielt mit dem Gedanken der Veränderung und Läuterung durch Feuer und Wasser. Diese zwei Elemente verbindet er hier. Es sind wie er sagte: "auch Leben und Tod" die damit gezeigt werden, auch eine "Auferstehung" einer neuen Form. Senftleben arbeitete mit Gegensatzpaaren wie: Werden und Vergehen, Warm und Kalt, Wasser und Feuer. Wenn sein Fischkokon über dem kleinen Flüsschen in Flammen auf geht, dann verwandelt er seine Form. Er transformiert altes und neues Gedankengut, dann und wann auch Symbolträchtiges, vielleicht Christliches, in der Form des Fisches in die Gegenwart. Als Relikt erkennen wir später nur noch das Skelett, was über dem Fluss schwebt und ein markantes Zeichen über den Wasserlauf gibt.
Zeichen spielen auch in der Installation von Heidemarie Dreßel eine Rolle. Sie macht auf das Problem Stauzonen aufmerksam. Damit greift sie ein Thema der Gesellschaft auf, wenn sie 777 kleine keramische Körper, die unterschiedlich farbig leuchten, an einen Baum hinauf wandern/fahren lässt. Was sind Stauzonen? Wir kennen diese aus dem Straßenverkehr, die endlosen Stauzonen. Wir fliehen vor ihnen, aber gibt es überhaupt ein entrinnen? Betrachtet man die Installation an dem Stamm, so fallen unzählige kleine keramische Auto - Körper auf, die ameisengleich am Stamm zur Baumkrone hinauf gleiten. Ihre Ameisen, aus dem Markokosmos kommend, streben dem Stamm entgegen. Im Gras tummeln sich noch weitere Körper, jedoch am Stamm bündeln sie sich. Der Befall scheint unendlich zu sein, diese Formen scheinen keinen Richtungswechsel anzustreben. Ihr Ziel ist immer das Gleiche. Es gibt kein Entrinnen aus der Gesellschaft, angepasst an Richtung in Braun, Silber oder Rot, streben sie nach oben. Heidemarie Dreßel versucht, den Gedanken der Umweltbelastung durch die Autoabgase, aber auch den Konkurrenzkampf sichtbar zu machen. Der Mensch greift in die Natur ein, umwindet sie wie das Efeu den Stamm der Bäume und wird sie mehr und mehr zerstören. So scheint aber auch ein surrealer Gedanke eine Rolle zu spielen, das endlose Bemühen den Stamm zu erklimmen, erweist sich schließlich als Sisyphosarbeit, denn das Ziel bleibt unerreichbar. Beginn und Ziel, Anfang und Ende werden von Martin Eckrich nur zu gut thematisiert, wenn er sich auf die Spuren seines Lebens begibt. Ein skelettartiger Weg führt zwischen den Bäumen nach oben zu einem Holzprisma. Alles beginnt mit bei im mit dem Urozean, der Ursuppe, in dem kleines Getier lebte. In der Form von Ton und Erde setzt er ein Zeichen für den Beginn der Menschheit. Weiße Fahnen wehen im Wind und verleihen dieser Arbeit Lebendigkeit. Das Weiß wird zum Kontrast zum Grün der Bäume. Auch bei ihm scheint es, dass die Veränderung langsam und leise passiert. Die Verwandlung des Menschen vollzieht sich stufenweise, strebt immer höher. Der Mensch beginnt mit seiner Entwicklung, reift zu einer geistigen Persönlichkeit heran und endet in der hohen Prismaform vergeistigt. Brücken und Wege kreuzen sich, sie verweben sich mit der Landschaft, so wie auch ein Erdzylinder, der sich an der Gabelung des Weges erhebt. Er setzt ein Zeichen und steht als Markierung in Korrespondenz zur Metamorphose von Hardy Raub. Diese Form, stammend von Dieter Lutsch, nimmt den Gedanken von LandArt besonders auf. Aus der Natur genommene Erde presste er zu diesem Körper, der von einem Graben umgeben ist. Seine Form, die sich durch Witterungseinflüsse schnell verändert wird, fällt in sich zusammen und geht wieder in die Natur über. Die Erde wird damit zum "Kunstobjekt", das wieder in seinen Ursprungszustand zurückgeht. Er greift in die natürliche Beschaffenheit des Bodens ein, um seine Form plastisch zu erzeugen und um durch jenes Eingreifen schließlich trotzdem das Kunstwerk der Natur zu überlassen.
Dass Natur sich selbst überlassen wird, zeigt sich hier im Nationalpark besonders. Landschafträume haben die Möglichkeit, die vielfältigen Arten von Flora und Fauna gedeihen zu lassen. Ja, unzählige Vögel bauen im Nationalpark und anderorts Nester, wir entdecken sie in Bäumen, zwischen Hecken und Sträuchern. Hartmut Wolf aus Hamburg verwies schon mit seinem "Lupus" 2001 auf dieses Problem. Anja Kleinhans setzt neue Nestmarkierungen in den Landschaftsraum. Überdimensional große Weidenformen hängen zwischen Bäumen und im Gebüsch. Versehen wurden sie mit Eiern, auf denen man Texte von Goethe und Shakespeare lesen kann. Ihr "Symbol der Geborgenheit, der Ruhe" wird auch zu einer kleinen paradiesischen Welt mit Blick in die Weite der Landschaft. Sie spielt mit der Bedeutung vom Ei als ein bekanntes Fruchtbarkeitssymbol. "Da es am Uranfang häufig auf den Urgewässern schwamm und die gesamte Welt und oft nur Himmel und Erde aus sich entließ, beschrieb es den Beginn der Schöpfung." Es wird nun hier eher zu einem philosophischen Ei, das mit seinen Sinnsprüchen den Wander-Kunstfreund begleiten soll. Träume, Visionen, Erinnerungen sollen nicht zu letzt auch durch Aphorismen von Goethe und Shakespeare geweckt werden:
So heißt es bei Goethe: " Was immer du tun kannst oder erträumst tun zu können, beginne es! "
Dann beginne, Kunstfreund, mit der Erkundung. Ihre drei Nester aus Korbweiden sollen und werden sich in die Natur einfügen, teils direkt sichtbar oder teils verwoben mit Bäumen und Sträuchern werden durch das Lesen, wie sie sagt" vielleicht Mut machen". Britta Terrez-de Clercq beschreibt mit ihren Umhüllungen andere Wege in der Kunst. Markant setzten ihre sechs Arbeiten Akzente am Wegesrand und werden zu Wächtern. Entstanden sind Figurationen aus Erde, Leim und Tannennadeln, die eine interessante Oberflächenstruktur aufweisen. Dunkel erscheinen sie, magisch und mahnend begleiten sie den Wander-Kunstfreund. Sie beobachten still und ruhig die Landschaft, die vor ihnen in einem herrlichen Panorama zu sehen ist. Auch hier wurden bewusst Verbindungsblickachsen zu schon vorhandenen Objekten gezogen. Ihre Körper werden zu Zeichen für weibliche und männliche Figurationen, die in ihren geometrischen Formen gleichsam in die Natur schreiten. Mit ca. 120 Papierkörpern entstanden zwei halboffene Schutzräume, die ein gewebtes Geflecht ergeben, welches mit Leim-Erde bestrichen wurde. Am Wegesrand werden diese drei Paare zu barocken Doublierungen, die ein Menuett beginnen könnten. Begrenzend, leiten und führen sie den Kunstfreund in einen neuen Raum, der in seinem Verlauf nun begrenzt erscheint. Sie vergleicht ihre Körper aber auch mit Grenzsteinen. Ihre "Grenzsteinfigurationen" werden sich jedoch im Verlauf ihrer stetigen Veränderung mit ihrem Umfeld verweben und in die grenzenlose Weite des Naturraums übergehen. Nur noch Schatten ihrer selbst sein. Schatten und Licht erzeugen ein interessantes Wechselspiel. Jenes Spiel von Licht und Schatten nutzt Klaus Meier-Warnebolt für seine "Sitelines". Der Blick von der "Strasse nach Hesswinkel" zeigt eine weiße Linie auf der Wiese, die unterbrochen wird von einem Baumhain. Große barocke Schwünge zeichnen sich auf dem Boden ab. Sie werden zu einer Silhouette der Landschaft, die perspektivisch verändert wurde. Er beginnt ein Spiel mit Licht und Schatten, mit Wiese und Baumgruppe. Mit seiner Schattenrisszeichnung aus Stroh und Hobelspänen markiert er ein Bild der Natur. Die Baumgruppe, die 15 Uhr ihren Zenit erreicht hat, zeichnet einen Schatten, der vom Künstler genau umrissen wurde. Er erzeugte einen Schatten und einem Umriss, indem er die Fläche markierte und die weiche Modellierung der Baumgruppen neu ins Bewusstsein setzte. Auch hier wird das Spiel des Windes und des Regens die Spuren verwischen und verändern. Eine Performance mit der Landschaft zeichnet mit Hilfe dieser Linien für kurze Zeit eine Bild. Tore, Wege, Nester und markante Linien sind Schwerpunkte der Arbeiten der zehn Künstler. Ihre Installationen und Objekte verändern die Natur, verändern das Umfeld, rücken markante Punkte in das Bewusstsein des Betrachters. Man betritt eine neue Welt, die schon Ulrike Drasdo mit ihrem Wasserweg zeigt. Bianca Seidel, die schon zum drittem Male bei dem Symposium vertreten ist, macht mit ihrem Tor ebenfalls auf neue Ausblicke in die Landschaft aufmerksam. Ihr Baumtor öffnet sich, man blickt in die weite Landschaft und erfährt die Natur als Kunstobjekt selbst. Der rätselhafte Gott Janus, der Gott der Schwellen, der Tore und Türen, scheint unsichtbar am Eingang zu stehen. Immer veränderbar in seiner Form. "Wenn der Mensch etwas Neues beginnt, dann betritt er gleichsam ein Tor und begibt sich in einen anderen Raum; das gilt sowohl für das Raum-Zeit-Geschehen als auch für Seelenwanderung" Umgeben vom grünem Laub der Bäume, versetzt man sich in die mythische Bedeutung von Toren. Bianca Seidel hat die beiden Bäume als Tore markiert und mit Lehmfarbe beide Bäume umhüllt. Die unterschiedliche Farbigkeit verleiht den beiden Bäumen eine wechselvolle Oberflächenstruktur. Wobei beim Durchschreiten Links und Rechts neue "natürliche Tore" erkennbar werden. Vielleicht auch vom Gott Janus, dem Zweigesichtigen, bewacht? So scheint der Vogelstein von Barbara Neuhäuser auch als Wächter dienen, wenn er zur Installation von Tamer Serbay blickt. Tamer Serbay setzte 36 Kartons, angefüllt mit Weizenpflanzen, in die Landschaft. So zählt der Weizen doch zu der wichtigsten Getreideart der Menschen. " Im Nahen Osten wurde der Weizen schon 7.Jh. v.Chr. angebaut und zeigt damit die Bedeutung dieses Süßgrases. Aus den einst wilden Ähren entstanden im 4.Jh. v. Chr. durch Kreuzung diese Pflanzen." Mit dieser Geschichte hat sich der Künstler beschäftigt und versucht, dieses Geschenk der Natur in seine Installation zu präsentieren. Seine blauen Boxen werden symbolhaft zum Zeichen für Himmel, denn er sagt. " das sei ein Geschenk des Himmels". Er bemalte diese Kartons mit unterschiedlichen Blautönen, um die unterschiedlichen Farben des Himmels zu zeigen. Wenn der Weizen verblüht ist, dann bleibt die leuchtende Blau des Himmel noch zurück. Hier wird jedoch auch die Metamorphose des Lebens sichtbar. Das Werden- Wachsen- Vergehen vielleicht auch die Wiedergeburt. " So war diese Ähre in der Antike das Symbol der Frucht des menschlichen Leibes, der Demeter." 5 Ob sich nun die magischen Kräfte an der Oberfläche der Ähren zeigen oder das Licht und der Wind mit ihnen spielt, bleibt der Fantasie des Betrachters überlassen. Seine 36 Weizenkartons setzen auch in der lieblichen Landschaft, mit Ausblick auf Hütscheroda, Akzente. So lassen Sie sich, sehr geehrte Kunstfreunde, mit den Worten von Elias Canetti einladen, die Kunst zu erkunden.

Denn ein Weg zur Wirklichkeit geht über Bilder. Ich glaube nicht, dass es einen besseren Weg gibt. Bilder sind Netze, was ihnen erscheint, ist der haltbare Fang.

Danke.

Diana Henkel-Trojca
Erfurt, im Juni 2004

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