Einführende Worte zur Ausstellungseröffnung von Ingo Bulla am 29.5.07 im Herrenhaus in Hütscheroda

 

Sehr geehrte Kunstfreunde der Kunstsymposien, sehr geehrte Damen und Herren, lieber Ingo, lieber Jürgen Dawo,

 

10 Jahre gibt es Kunst am Hainich, 10 Jahre treffen sich Kunst und Künstler in einem Ort, der nur wenige Seelen zählt, aber doch immer wieder im Mittelpunkt steht. Behringen-Hütscheroda, zwei Orte der Kunst, sind auch Orte der Ruhe und der Entspannung. Nun beginnt ein Blick hinter die Kulissen, in die Entstehung der Kunstwerke mit der Fotodokumentation von Ingo Bulla aus Göttingen. Der 1956 geborene Fotograf setzt auf Zeichen der Erinnerung.
„ In mitten der kleinen Details mag sich vieles, wenn nicht alles, verstecken“, sagt er.
Im Zauber der Natur-Farben, im Licht und Schattenspiel der Blätter, in dem Verlauf der Linien und Ausschnitte der Natur liegt die Kraft, liegen Symbole und Fragmente verborgen. Hier werden Zeichen durch Kunst gesetzt und Motive des Fotografen gesucht, ja es waren und sind stets unvergängliche Momente, die er in das Negativ eingebrannt hat. Warum die Fotografie schon mehr als hundert Jahre zur Dokumentation genutzt wird, sieht man in den Arbeiten ganz deutlich. Über zehn Jahre wird das Symposium von Künstlern alt. Ein Grund, die Zeit fotografisch zu reflektieren, zurück zu schauen und sich der Stationen der Kunst bewusst zu werden. Denn ein Fotograf ist stets auf der Suche das Wichtige, das Besondere und das Außergewöhnliche festzuhalten, sich dann damit fest in das Geschehen zu verankern und die momentane Situation abzubilden, sie neu ins Bewusstsein der Betrachter zu rufen. Ingo Bulla, der schon viele Jahre fotografisch die Symposien begleitet, ist in Göttingen und international fotografisch tätig. Aber die Umgebung von Hütscheroda und Behringen hat für ihn immer wieder eine neue und besondere Faszination, die hier zu erleben ist. Was sich hier alles versteckt hält, dass ist nicht nur der Zauber der welligen Landschaft, der Pflanzen oder das Licht, nein sind auch die offenen Blicke über Felder, Wiesen und Ackerland, es sind vielfach auch die Ausschnitte, Details, Oberflächen von Kunstwerken und Porträts der Künstler. Sein Hauptmetier ist die Porträtfotografie, wie man unschwer erkennen kann. Ob Bianca Seidel, Ulrike Drasdo oder Reinmar Senftleben. Wenn Ingo Bulla die Bilder der Künstler zeigt, dann sind sie in die jeweiligen Situationen, ja in die Kunst eingebracht. Sie werden mit ihrem Kunstwerk zusammen ein lebendiges Kunstwerk, welches nicht nur ein Abbild der beiden zeigt, sondern die tiefe Verbundenheit. Wenn Anja Kleinhans im Nest liegt, die Schnecken auf der Schafwolle die wärmende Fläche erfüllen, erscheint sie als Akt, als Halbakt, der sich mit Wolle und Seide verwebt und dadurch selbst zum LandArtProjekt wird. Sie verweist nun auf die Tiefe Bedeutung der Zeichen, die sich in der Sprache der Vergänglichkeit ausdrücken, denn die Schnecke ist ein Symbol der Vanitas und nicht zuletzt auch ein Symbol der Erotik und Sinnlichkeit. So werden diese Aufnahmen selbst zu temporären Objekten, die nur für den Augenblick, für die geschaffenen Situationen, lebendig werden. Hier beweißt Bulla, dass er in der künstlerischen Fotografie ebenfalls sehr aussagekräftige Blickwinkel darstellen kann, denn der eigentliche „Pressefotograf“ arbeitet eben sehr gerne auf dem Gebiet von Kunst und Kultur. Viele berufliche „Weltreisen“ öffneten ihm die Augen, bewusster zu sehen, ja sehen zu lernen, wenn er Bilder von Menschen in Russland zeigte oder an anderen Orten. Überall fand er in Gesichtern, in der Mimik und Gestik, trotz Armut, körperlicher Leiden, das Schöne, was aus der Tiefe der Seele kommt. So knüpft Ingo Bulla immer „Kontakte“. Wenn er Persönlichkeiten von Kunst und Kultur ablichtete, sei es Christo, Horst Janssen oder Albrecht Schöne. Im Mittelpunkt dieser Ausstellung hier stehen jedoch Künstler und deren Kunst. Und da Kunst in freier Natur immer der Vergänglichkeit geweiht ist, hält er hier und jetzt die Gegenwart von Kunst den Betrachtern vor Augen. Bilder, Kunstwerke und Motive lösen sich auf, Skulpturen zerfallen, werden wieder an die Erde zurückgegeben, zerfallen und hinterlassen dennoch Spuren. Die Figurationen aus Stein, Lehm, Ton, Naturmaterialien ergänzen das Bild der Künstler. Wenn Bulla seinen Schwerpunkt auf Hände lenkt, sieht der Betrachter die Hände als Kunstwerke. So zeigt er Bianca Seidel in ihre Kunst, sie ist gefangen im Baum, der zum Tor wird, leicht aber schwebt sie über ihre Adlerschatten, zart hält sie den Frosch in der Hand. Diese facettenreichen intimen Bilder und Aufnahmen, Blickwinkel von Natur und Kunst am Rande des Nationalparks vom Hainich, werden aber auch zu Sinnbildern für Arbeit. Wobei die Arbeit im Sinne der künstlerischen Arbeit definiert werden muss. Der Künstler ist immer auch ein Arbeiter, der mit Kopf, Herz und Händen versteht zu arbeiten, wie an den Bildern zu erkennen ist. Manchmal nimmt Bulla aber auch Motive auf, die die Künstlern tief in der Versenkung ihrer Arbeit zeigen, wenn Spuren des „Denkens“ auf den Gesichtern zu sehen sind, Zeichen von Anstrengung und innerer Anspannung. Hier überrascht der Fotograf die Künstler oder bewegt sich fast unsichtbar in und um die Kunst herum. Denn er zeigt sowohl inszenierte Motive, wie auch kurze „Schnappschüsse“, die Künstler bei der Arbeit zeigen. Das macht auch den spannungsvollen Bogen der Fotografien aus, dass hier nicht nur starres Ablichten im Mittelpunkt steht, sondern immer wieder neue Möglichkeiten der Darstellung gesucht und schließlich auch gefunden werden. So wechselt Ingo Bulla oft seine Standpunkte, bewegt sich über den Kunstwerken, zeigt Blicke aus der Vogelperspektive und Froschperspektive, um den besten Ausschnitt zu zeigen, um Spannung und Komposition ins Bild zu setzen. Denn seine Spannungen erzeugt er selbst, in dem er mit Künstlern zusammen arbeitet, sich mit in das Geschehen einbringt, auf die Höhen begibt und dann das Motiv findet. Denn wie sonst könnte man die GrasArtInstallation sonst wahrnehmen oder den Baumtrunk in der Entstehung erfahren. Denn, am Ende eines Symposiums schaut der Kunstfreund auf das Kunstwerk, aber die Entstehung scheint im Dunkel verborgen zu liegen, damit solches nicht passiert, zeigt Ingo Bulla seine Details, die Fragmente, die Sequenzen der Entstehung, was sozusagen hinter der Kulisse der Kunst geschieht und ebenfalls sehr interessant sein kann. So erlebt man die kleinen und großen Inszenierungen ganz nah, die vielleicht die Blicke schärfen, Kunst und Natur noch intensiver zu erfahren und zu hinterfragen. In diesem Sinne wünsche ich dem Symposium 2007 Erfolg und dir, lieber Ingo, immer den passenden Blickwinkel.
Danke.

Diana H. Trojca M.A.
Kunsthistorikerin
Erfurt, im Mai 2007

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