Abschweifung vom Alltag

Behringen-Hütscheroda: Neues vom Skulpturenprojekt am Hainich

 

In acht Jahren das siebte Mal Skulpturenprojekt in Behringen-Hütscheroda! Man ahnt, welch Engagement und Pflege von Förderern dahinter stecken, wo sich in diesem Jahr die Zahl der Sponsoren zur Rekordzahl an Insolvenzen reziprok verhält. Aber die nächste Aktion ist gelungen, sieben neue Objekte, in weitester Auslegung Skulpturen, bereichern die Umgebung von Hütscheroda. Die in der Ausschreibung poetisch verklausulierte Absicht diesmal temporäre LandArt zu zeigen, errieten wenige von den 110 sich bewerbenden Künstlern. Verwirklicht wurde nur eine. Der Oranienburger Olaf Haugk setzte sich auf einen Rasenmäher und schnitt in eine ansteigende Wiesenfläche Arabesken, eine temporäre Gras Art, die folglich nur vorübergehend zu erblicken ist. Jene Formen der LandArt, die per Raumtechnik Eingriffe in die gegebene Landschaft vornehmen, verbieten sich ja auch im Nationalpark Hainich. Dagegen fügen alle Künstler ihre Arbeiten sehr geschickt in die örtlichen Gegebenheiten ein, die sie damit neu definieren.

In eine Senke am Dorfrand hat Bianca Seidel (Chemnitz) mit in den Boden gerammten Pfählen einen „Adlerschatten“ ausgebreitet. Beim Herrenhaus verabreicht Uwe Mädger (Bremen) einen „Baumtrunk“, Indem er als „Trinkrohre“ Bambusstangen auf Lehmputzkegel vom Boden zu einer Eiche leitet. In der Nähe leuchtet ein hoher Baumstumpf, dessen Vertikale vom Südkoreaner Park Bong-Gi aus querschnittlichen Baumscheiben, wie organisch gewachsen, gebaut wurde. In einer Lichtung steht ein fragiles Dachgewächs von Silvia Mack (Berlin), dessen Zeitweiligkeit den Holzstäben deutlichanzusehen ist. Bergauf vor der einstigen Ortslage Heßwinkel hat Reimar Senftleben (Stuttgart) seine „Sonnenwiege“ aus sieben Elementen errichtet. Von ihm stammte vom 1. Symposium die komplexe Skulptur „Tiefe“, eine der besten Arbeiten überhaupt. Sie wurde ein Opfer der Dorfjugend. Diesmal hat er auf einem Betonfundament, zugleich Schattenbasis, ein Edelstahlrohr als ein sich nach oben öffnendes Kreissegment errichtet, das senkrecht zur Sonne ausgerichtet ist. Diese „wiegt“ sich während des Jahres auf dem Rohr und kommt zur Sommersonnenwende genau über der Mitte zu stehen.

Und als siebente Arbeit überrascht schließlich noch hinter der Wegkreuzung in Richtung Behringen ein „Anderer Weg“, Friederike Caroline Bachmann und Klaus Müller (Offenbach) ausgelegt haben. Verheißungsvoll leuchtet aus hellem Holz ein schmaler Steg, der sich vom Wanderweg aus durch lichten Jungwald schlängelt wie eine Abschweifung vom Alltag. Welche Aussicht bietet sich am Ende des anderen Weges?

 

Hütscheroda, an der B84, hinter Behringen in Richtung Eisenach.

 

Thüringer Allgemeine (16.07.2003 Feuilleton)

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