Wenn Wachstum zur künstlerischen Form wird

Einführende Worte zum 16. Bildhauersymposium am 8. Juni 2012 in Behringen/Hütscheroda


Sehr geehrter Landrat, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kunstfreunde, liebe Künstler,


Prolog:

Wie wird aus einem kleinen Ort wie Hütscheroda ein Kunstort? Ganz einfach durch Kunst, durch Projekte, die hier am Rande des Nationalparks immer wieder durchgeführt werden. Wir sehen hier Kunstwerke von bekannten und noch unbekannten Bildhauern, sie arbeiten seit Jahren in dieser schönen Umgebung, und sie hinterlassen ihre Spuren, sie setzen Zeichen und werden ein Teil dieser Landschaft.

So kann doch Kunst auch außerhalb der Museen dem Besucher nahegebracht werden oder ein Anreiz werden, sich mit Kunst oder Objekten im öffentlichen Raum etwas zu beschäftigen. Denn ohne Kunst und Förderung dieser wird das Land Thüringen nicht bestehen können,das sagte im März ein Erfurter Arzt (Dr. Hauch) in der Thüringer Allgemeine. Es gilt also die Kunst weiterhin zu fördern und solche Projekte zu unterstützen. Und sich der Wirkung von Kunst stets bewusst zu sein, solches scheint in dieser Zeit notwendig zu sein.

Beim 16. Bildhauersymposium in Behringen/Hütscheroda spielten unzählige Motive des Wachsens eine Rolle. In allen Richtungen passierte das Wachstum und wird in den Werken der Künstler jetzt sichtbar. Dabei findet der Wachstumsprozess im Holz statt und scheint sich in der Tat im Raum zu definieren, denn mit jedem „Wachstumsobjekt“ beginnt der Naturraum einen neuen Schwerpunkt zu erhalten. Wachstum- Metamorphose - Veränderung sind in Kunst und Natur immer wieder zu erleben. Grenzräume werden überschritten und immer erneut definiert, abgezirkelt und verändert.

Im Mittelpunkt des 16. Symposiums steht das Holz( Eiche, Buche, Lärche) - ein Material, das aus der Natur kommt, aus dem Hainich stammt, und es wird als künstlerisches Objekt zurück in die Natur kommen. Ein Stück Wachstum wurde aus der Natur zum Neuzusammenwachsen von Kunst in die Natur zurück gebracht. Ob nun als Kugel, als Zylinder oder als freies Objekt, jene Holzarbeiten werden zum Teil der Natur hier im Hainich. Dabei werden sie im Park und auf dem Skulpturenweg installiert werden . Dadurch kommen sie wieder in den Kreislauf der Natur zurück, sie bekommen einen Standort, mit dem sie eine temporäre Symbiose eingehen. Nun aber bewusst bearbeitet, verändert, durch Strukturen und Symbole versehen wurden. Die Oberflächen zeigen Spuren der Veränderung, man hat in das Holz eingegriffen, es verändert und dadurch trägt jede Arbeit in der Tat sichtbar die Spuren des Künstlers.

Die 6. Künstler zeigen mit ihren Skulpturen, wie man mit durch Kraft, Dynamik und Rhythmus ein Bildwerk entstehen lassen kann, das sich in den Kreislauf der Natur einfügt, Stück um Stück entstanden ihre Bildwerke. Das Material Holz, ein sehr traditionelles Material, ist im abtragenden Verfahren, Stück für Stück neu zusammen gesetzt wurden, diese Arbeiten akzentuieren nun Standorte in der Natur. In der Form lassen sie unterschiedliche Assoziationen zu. Konkret, geometrisch, abstrakt, rhythmisch oder figurativ ist ihre Wirkung.

Die internationalen Künstler haben mit ihren Holzarbeiten einen Naturraum neu akzentuiert, ihn verändert und schließlich neu definiert. Sie ergänzen den Skulpturenweg , sie verändern ihn und sie erzeugen neue Akzente im Raum, im Park und auf dem Weg durch den Hainich. Es sind liegende, stehende und nahezu schwebende Objekte entstanden, und sie zeigen in der Tat Wachstum. In alle Richtungen dehnen sie sich aus, sie streben in die Höhe, akzentuieren das Horizontale oder öffnen sich in Breite Höhe oder Tiefe.

Wachstum ist immer auch Veränderung, Veränderung unterliegt der stetigen Neudefinition der Formen. Die Künstler waren auf der Suche nach Spuren, Zeichen und Symbolen, die sich im Wachstum eben zeigen. Ihre Spuren lassen die Oberflächen des Holzes verändert erscheinen. Wer sind die Künstler, die hier zusammenwachsen? Die Auswahl fiel erneut schwer, wenn man die Flut der Einsendungen betrachtet.


Zdravko Zdravkov (Bulgarien) „Up to the light“

Wenn ein bulgarischer Bildhauer seine Symbole und Zeichen in Holz vertieft, dann soll das besonders in seiner Arbeit zum Ausdruck kommen. Denn Licht und Schatten spielen in seiner Arbeit eine Rolle. Er lässt - eine an florale Elemente denkende Figur - entstehen, die zum Licht geht, sich öffnet, sich weitet und den Raum erfüllt. In leichten und bewegten Formen entsteht eine Lichtstufe, die Stück um Stück erwächst. Leichte Äste verzweigen sich und werden zum Symbol für Natur. Bewegungen zum Licht werden in der Holzskulptur sichtbar. Nicht zuletzt auch das Wechselspiel von Licht und Schatten. Er lotet die Form aus und lässt aus der spezifischen Gestalt eine neue Gestalt erwachsen. Aus dem Holzstamm kommt eine neue Form hervor, die direkt zum Licht strebt. Aus der Blattähnlichkeit der Formen assoziiert der Betrachter Wachstum und Wuchsformen der Flora. Seine Arbeit ist das Symbol vom Wachsen zum Licht. Sie zeigt die kraftvolle Bewegung und Kraft zum Licht- das scheinen die Inhalte der Arbeit zu sein. Nach oben strebende Formen und Symbole. Jene sind spannungsvoll bearbeitet.


Oscar Aguirre (Spanien) “Where do we take the wind”

Aus dem Zylinder einer Form erwächst eine neue Form, die aus unzähligen Strukturen und Bewegungen entstanden ist. Scheinbar hat der Wind seine Oberfläche verändert und setzt sich nieder auf das Holz. Wenn Wind und Wetter Formen und die unzähligen Wolkenbänder am Himmel verändern, bemerkt man das Wachstum und die Veränderung dieser Gestalten direkt am Himmel. Der Bildhauer gestaltet hier die scheinbare Unsichtbarkeit des Windes, kein Windhauch, nein, es ist eine dynamische Kraft in der Form entstanden, sie ist jetzt zu erkennen in Form und Gestalt. Aus der Skulptur kommt scheinbar der Wind. Er gräbt sich in seinem Wachstumsformen ein und verändert das Holz. Zu sehen sind Risse und Spuren aus geometrischen Formen.

 

Matthias Trott (Deutschland) “Quadratur des Kreises”

Nach oben strebende Strukturen werden im Naturraum oft als Pfahl wahrgenommen und schließlich lässt der Bildhauer jene Form zum Ausdruck kommen. Pfahlskulpturen sind in der Kunst und Kulturgeschichte immer etwas Mythisches, etwas Rituelles. Trott setzt ganz bewusst ein Signal, ein Zeichen in den Raum. Markant und weithin sichtbar wird seine Arbeit, die Wachstum in den Himmel zum Ausdruck bringt. Bizarre Oberflächenformen ergänzen die Arbeit. Es schälen sich seine Strukturen aus der Oberfläche heraus . Letztendlich strebt die Komposition direkt nach oben.


Edoardo Waxemberg (Argentinien)“Global warming”

Die Wucherungen der Zeit scheinen das Objekt von Waxemberg zu beeinflussen, denn aus der Form erwächst etwas Neues, das sich an die Oberfläche gesetzt hat, sich verzweigt und nach oben strebt. Streben und Veränderung beginnt in seiner Arbeit. Die Auswirkungen der globalen Erwärmung zeigt Waxemberg in seiner Skulptur. Aus dem glatten Stamm erwächst eine Wucherung, die sich im oberen Teil der Skulptur zeigt. Es erwächst eine runde Form, die sich als markante Form abgesetzt hat. Aus dem Holz kommt eine Form, die sich nach oben schiebt. Stück um Stück. Am Endpunkt jener wird somit ein Akzent gesetzt, der sich dem Wachstum hingibt. Das Wachstum kann und wird unterbrochen durch jene Struktur, die an der Oberfläche wirkt, sich ausweitet.


Ingeborg Obrez-Schmidt & Julia Alberti “Propolis”

Zwei Künstlerinnen gestalten eine Kugelform, die in ihrer Gestaltung etwas seltsam anmutet. Eine Kugelform bewegt sich als ein Objekt im Raum, eine runde, sich drehende Form beginnt zu wachsen, entsteht und lässt neue Assoziationen zu, die sich jetzt hier in der Propoloisform zeigen. Unter der Oberfläche aber liegen ihre tieferen Gedanken und Absichten verborgen. Denn Propolois bedeutet nicht nur Bienenharz oder Bienenleim, vielmehr sprechen die beiden hier die besondere Wirkung des Stoffes an, der eine zytotoxische Wirkung haben kann und somit die entartete Krebszelle so beeinflussen kann, das sie abstirbt. Aus dieser Kugelform, die den Raum neu definiert und aus kleinen Formen entstand, ist eine Botschaft des Wachstums entstanden.


Martin Hunke „Wachstum“

Die Form aus der Kugel zu gewinnen ist für Hunke das Besondere. Er spielt mit diesem alten Symbol, das wir aus der Kunstgeschichte kennen. Dabei verwebt er seine Kugeln mit dem Baum, direkt mit der Natur und lässt den Naturraum neu im Raum zurück.Martin Hunke beschäftigt sich mit der Kugelform und lässt sein Objekt mit Baumformen kombiniert sichtbar werden. Baum und Kugelform scheinen miteinander zu verschmelzen. Daraus entsteht seine neue Form am Baum und im Raum. So scheint es ein Experiment in Gestalt und Form zu werden. Natur und Kunst vereinigen sich so. Das Wachstum definiert sich so über den Naturraum neu.


Epilog:

Vielfalt und Bandbreite haben sich auch im 16. Symposium gezeigt. Und es ist ein Zusammenwachsen der Formen passiert. Es ist Figürliches und Kraftvolles zu erleben, Abstraktes und Gegenständliches. Mit jenen Skulpturen ist der Naturraum erneut neu definiert und lässt eine direkte Zwiesprache zu, die immer wieder zum Dialog auffordert. Vielleicht wird das Geländeprofil etwas verändert, vielleicht definiert sich der Park immer wieder neu, auf jeden Fall dient Kunst auch in diesem Symposium dazu, die Sinne zu schulen, auf die Wahrnehmung zu achten und diese Arbeiten erneut unter dem Einfluss der Tages und Jahreszeiten neu zu erleben.

Diana Trojca M.A.