Laudatio vom 6. Juni zum Abschluß des Symposiums

Einführende Worte zum Symposiumsabschluss in Behringen/Hütscheroda am 6.7.2008

von Diana Trojca M.A, Kunsthistorikern

 

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde des Symposiums, werte Gäste und liebe Künstler,

Von der Jakobsleiter bis zum „Liebesnest“ - Kunstwerke voller Kraft und Leidenschaft, so könnte der Titel des Symposiums lauten

Das 12. Symposium im Juni 2008 stand erneut in der Tradition seiner 11 Vorgänger. Mit dem Motto „Natur, Kunst und Mensch“ war der Grundtenor geboren wurden, der von allen 6 Künstlern innerhalb einer Woche dargestellt wurde. 6 Künstler stellten sich diesem Thema und sind nun vereint hier zu sehen, obschon sie bleiben nicht hier, die Arbeiten werden im Gelände des Nationalparks verteilt, markieren Wege, Aussichte und Flächen, um erneut Schwerpunkte in die Landschaft zu setzen. Beim Kunstrundgang trifft man auf bekannte und neue Namen, also auf Bewährtes und Neues, das sich gegenseitig befrucht hat. Warum auch nicht immer einmal auf bekannte Namen zurückgreifen, wenn sie sich durch Kunst immer erneut bewähren? Die Zahl der Bewerber war groß, so dass man als „Auswahl“ diese 6 Künstler aus 4 Ländern einlud. Volker Baier, der schon im Park von Behringen seine „Leda“ zeigt, ist erneut geladen, wie auch Jan Thomas, ebenfalls im Park vertreten und Reinmar Senftleben sind Künstler, die die deutsche Sparte der „Kunst“ vertreten. Und dazu gesellt sich Internationalität. Beata Rostas aus Ungarn, Tamer Serbay aus der Türkei und Zvonimir Kostic-Palanski aus Serbien. Durch diese Internationalität bildet sich ein wunderbarer Spannungsbogen, der abstrakte Formen mit gegenständlichen verbindet. Der aus der Fülle der Themen und Materialien einen bunten Fächer von Darstellungsmöglichkeiten und Varianten preisgibt. Die Künstler, die sichtbar auch von ihrem Kulturgut etwas abgeben, lassen sich als Individualisten erkennen, wie auch als Künstler, die Botschaften überbringen wollen. Ob es nun sinnlich Erfahrungen sind, Begegnungen mit Dämonen und Geistern oder der Mathematik, auf jeden Fall sind es spannungsvolle und fantasievolle Arbeiten.

 

Rundgang durch die Kunstwerke:

Christliche Botschaften

Jenen Botschaften hat sich der aus Serbien stammende Künstler Palanski verschrieben. Palanski, Autor, Übersetzer und Künstler, begibt sich auf die Himmelsleiter des Jakobs, dieses Thema ist im A.T. nach zu lesen. Eine diagonal verlaufende Form bahnt sich ihren Weg, hinauf und durch ein Symbol der Erde. Wohin der Weg geht, kann nur erahnt werden, erfühlt werden oder erlebt werden. Sichtbar und unsichtbar verbindet der Künstler unterschiedliche Kräfte und Energien der Natur, der Erde und der Innerlichkeit. Man kommt auf jeden Fall in seiner Fantasie an, wenn man die 10 Stufen erklimmt. Aber die Zahl 10, so sagt Palanski: „sie steht für mich auch für die 10 Gebote, die Moses gab“. Die Zahl 10 ist bekannt in vielen Religionen als eine heilige Zahl. Einst träumte Jakob in der Nacht von einer Himmelsleiter. (vgl. A.T.) er legte einen Stein unter seinem Kopf. Uns was sah er? Eine Treppe, die Himmel und Erde verband und auf der Engel auf- und niederstiegen. Als er erwachte, stellte er den Stein auf, goss Öl darüber und nannte die Stelle „Bet-El“ - Gotteshaus. Ein Stein der Traumvisionen, der Spurensuche des Seins ist die Arbeit des Künstlers. Im Auf und Ab beschreibt er Dinge, die sich ergänzen, wie im Yin und Yang, Dinge zusammen gehören und in der Darstellung bildhaft zum Ausdruck kommen. Das Geistige in der Natur, ein Ausblick in die Natur ist es allemal. Ein Symbol aus Vergangenheit und Geschichte ist mit der Erde verankert. Mit einer minimalen Materialausnutzung will er stets Maximales in der Kunst zeigen. Und erkennbar ist er an der Beschäftigung mit der christlichen Ikonografie.

 

Sinnliche Bezüge

Volker Baier setzt dazu einen anderen Schwerpunkt. Für ihn liegt im Menschlichen das Sinnlich-Erotische im Vordergrund. Sein „Liebesnest“ aus Porphyr transformiert seine eigenen Gedanken, er lässt sie im Stein zurück und sichtbar werden sie durch Bearbeitung, grafische Spuren, Details und kalligrafische Zeichen auf der Oberfläche, die das Dualistische von Eros zeigen. Die effiziente Zusammenarbeit von Englischen und Teuflischen. Zwei Kräfte, sie lagern in der Steinarbeit, die kraftvoll den Liebesreigen des Paares zeigt. Sparsam angedeutet und markant schält er aus dem Stein das Liebesnest, in dem die Kräfte schlummern und lagern, zart angedeutet das Fragment einer Bettstatt, die vielleicht doch an Walter von der Vogelweide erinnert. Aber sind wir nicht direkt „Under der Linden“. Vielleicht doch ? Denn, es umströmt uns der Hauch von der Lustbarkeit der Minne, der Natur, wo sich diese Kraft besonders zeigt. Verquickungen, Synthesen und heitere Darstellungen geben der Form Leben. Er zeigt Andeutungen, Ahnungen und setzt Zeichen der weiblichen Formen in den Stein, Stück um Stück kann der Betrachter das Sinnliche erleben und begegnet dabei dem eigenen lustvollen Satyr, der mit Hörnchen lacht oder dem Engelsgleichen Fragment. Mann und Weib- zwei Wesen in den unterschiedliche Energien – lagern, sie werden aus der Natur geboren und zeigen ein Stück greifbare Sinnlichkeit. Wenn man die Wildkatze auf dem Stein findet, dann ist es mit großer Sicherheit ein „Behringer“ Liebesnest.

 

Berechnungen

Tamer Serbay berechnet 9 m3 Pflastersteinfläche und setzt hier eher auf die Ratio in seiner Installationen, die sich mehr dem Appell an Vernunft nähert. In seiner Arbeit für Behringen will er nicht nur Kunst im Öffentlichen Raum betonen, sondern auf das Problem der Achtung der Natur aufmerksam machen. Natur gilt es zu bewahren, gerade im 21. Jahrhundert. Ein Bezug zu Weltgeschichte schaffte ihm den nötigen Grund, sich mit „Pflastersteinen“ auseinander zu setzen, die mit Mischfarben markiert wurden. Mit reflektierenden und leuchtenden Farben, sehr kraftvoll und leuchtend zeigt er hier die Macht und Wirkung des „Künstlichen“. Zurück zur Natur könnte man da sagen. Denn in den Zwischenräumen dieser Installation werden die Kräfte der Natur weiter wirken und das Gras setzt sich durch, sucht das Licht, findet es, ein kleiner Kraftakt der Natur wird sich zeigen, der anderorts aus den Fugen geraten ist. Es gilt das zu bewahren, was wichtig ist, Natur und Mensch in gleicher Weise, das scheint für Serbay ein Sinnbild zu sein.
Denn, „The Time is always now“, sagt er. Mit seiner Arbeit setzt er sich mit der Umwelterfahrung auseinander und zeigt, wie dynamisch die Witterung Dinge verändert, die dann in einem neuen Kontext gezeigt werden, in dem sich der Betrachter selbst finden sollte.

 

Fundamentales im Sandstein

Ein mehr als 6 Tonnenstein liegt schwer in der Landschaft. Aber, er setzt ein Zeichen, er ist ein Zeichen geworden und wird in seinem Material Sandstein weiter wirken, durch Größe und Form. Beata Rostas zeigt Mutter Natur. Hier nicht die in dem Standbild einer Kybele, jedoch stark Erdbezogen in der Darstellung, wirkt sie „MATER NATURA“ fast mächtig. Aus einem massiven Block schälte sie die Kräfte der Natur heraus, erfasst den Leib als Fruchtform, der auf Vorbilder in der Skulptur zurückgreift. Die Alma Mater oder Mater Magna zeigt sich gerundet, weich und einem Idol gleich, dass die Wichtigkeit der Natur unterstreicht. Der weiche Sandstein lässt die weiblichen Formen kraftvoll zum Ausdruck kommen, die eine besondere Sinnlichkeit zeigen. Organisches wird lebendig und zeigt in der Symbolform den Ursprung des Lebens. Vielleicht die Kraft der Kulte, die es in Religionen gab, wo sich mit den Muttergöttinnen beschäftigt wurde. Als Torso erscheint das Wesen- Natur.
Der Natur liegt immer wieder Archaisches zu Grunde.

 

Dämonisches

Wenn Jan Thomas aus Halle seine fragilen und ausdrucksstarken Köpfe, Gliedmaßen, Körperteile zeigt, dann nicht in einer Schönheit oder Exaktheit der Klassik, wohl eher in der wilden und fast dämonischen Verfremdung in der Form. Das, was das Innere zusammen hält, ist der Kampf der Emotionen, das Lustvolle, die Energien vom Hier und Jetzt, diese sind es, die er zeigt, plastisch und keramisch. Modulhaftes und Fragmentarisches, Verfremdetes und Erkennbares paart er in seiner Installation. Wir begegnen dem „Wildpark“ seiner Fantasie. Und darin die Wesen des 21. Jahrhunderts. Das sind die Chimären, die in der Medizin und Forschung zur Debatte stehen oder Fragmente von längst Vergangenem. Stumm bleiben sie nicht, die Arbeiten, sie reden über ihre Form, erschrecken, lassen nachdenken über das Bedrohliche oder geistig Irre des Zeitgeistes. Maskerade, Verführung sind dann vielleicht sein Erkennungsmerkmal, was aus dem Material spricht. Was auf dem ersten Blick spielerisch und variationsreich wirkt, lässt im Nachgang einen tiefen Einblick und Ausblick zurück.

 

Geschichte der Mathematik

Ein bekannter Symposiumskünstler ist der Stuttgarter Reinmar Senftleben. Stets bemüht er sich, mit der Aktualität seiner Arbeit, bewusster Dinge zu zeigen und in den Kontext des 21. Jahrhunderts zu rücken. Und so begibt er sich auf Spurensuche, er durchkreuzt die Geschichte der Mathematik, die in diesem Jahr ihr Jubiläum hat. Das Jahr der Mathematik hinterließ jetzt Spuren, die sich mit dem mathematischen Zeichen des Pi auseinander setzen. Ein Exkurs in die antike Rechenkunst fand und findet statt. Auch eine Begegnung mit dem Versuch, in die „Mystik“ der Quadratur des Kreises vorzudringen. Man sieht nun das „Pi im Raum“. Eine mathematische Formel, die er in eine Bildsprache bringt. Denn Pi im Raum ist wohl eher das geistige Sinnbild und Zeichen. Die Natur aber ist nicht mathematisch perfekt, wohl aber in der Ästhetik. Diese kleine Kreiszahl Pi, die im Bauwesen eine wichtige Rolle spielt, überlässt sich hier der Kunst. Dem Kreis, dem Quadrat. Senftleben variiert, er konstruiert und gibt Pi eine Gestalt. Edelroststahl versieht er mit winzigen Zeichen, Spuren, Ritzungen, die an Altes und Archaisches denken lassen. Die schwingende Bewegung reicht weit hinaus und zeigt die Vision des Berechenbaren oder Unberechenbaren der Zeit. Denn den Code der letzten 3000 Jahre kann auch das 21. Jahrhundert nicht öffnen.
Vielleicht aber die Kunst, denn die verbindet Kulturen und Zeiten.
In diesem Sinne können Natur, Kunst, Technik, Raum jetzt erlebt werden.

Auszug aus der Laudatio

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