Laudatio

Einführende Worte zur Eröffnungsfeier des VII. Bildhauersymposium in Behringen/Hütscheroda am 21.6.03


Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kunstfreunde, werte Gäste und Künstler,

ich möchte Sie alle zur 7. Eröffnungsfeier eines Symposiums in Hütscheroda begrüßen. Das Symposium 2003 stand unter dem Titel „LandArt“. Es ist zu einem Projekt besonderer Art geworden, da nicht, wie bei den vorangegangenen Symposien, Skulpturen und Plastiken als Ergebnis hervorgebracht wurden, sondern in der Tat temporäre Installationen, die im Verlauf der Zeit in den Hainich über gehen werden. Ausgewählt hat die Jury aus ca. 100 eingereichten Arbeiten 7 Arbeiten zum Thema LandArt. Was ist LandArt? Der Begriff LandArt wurde am Ende der 60er Jahre geprägt. Als einige Künstler beschlossen, mit der Kunst, mit ihrer Kunst, die Galerieräume zu verlassen und in Bergen, auf Wiesen, in Wüsten, eben in der Landschaft, eine neue Form für ihre Kunst zu entwickeln versuchten. War das vielleicht der Protest gegen die Entfremdung von der Natur, um zu ihr zurück zu kommen? Die Suche nach einer ökologischen Wiedergutmachung? Damals erschien es fast rabiat, mit Baggern oder Planierraupen, in der Landschaft zu wirken. Neue Orte, wo Kunst wirken kann, wurden erkundet, mit ihnen wurde meditiert. Alte Plätze, die mit Mythen und Riten verbunden waren, einsame Landschaften standen im Vordergrund und wurden von den Künstlern favorisiert. „ Die Projektion romantischer Stimmungen, die Verknüpfung mit kosmischen Laufbahnen, die kultisch empfundene mythische Macht der Orte, die Ausbreitung in weitläufige Panoramabilder – das alles berührte sich mit der Landschaftsmalerei des 18. und 19. Jahrhunderts“.

Die Arbeiten der Künstler jener Generation erinnern teilweise an magische Steinkreise alter Kulturen, wie an Stonehege, an mythische Orte oder an Riten. Die dort entstandenen Arbeiten waren
zurückversetzte Massen wie: Steine, Erde, Wasserläufe, aber auch Blitzfelder oder ähnliches entstand in den Weiten der Landschaftsräume. Ihre Formen und ihre Gestalt wirkte durch die Veränderbarkeit des Lichtes. Alles lag im Zeichen der Veränderung durch Witterungseinflüsse, durch Sonne, Wind, Regen und Trockenheit. Das Licht erzeugte so zum Beispiel immer wieder neue Schattenwirkungen, wie Arbeiten vom LandArt Künstler Michael Heizer in Silver Springs zeigen.

Der kleine Exkurs in die Kunstgeschichte zeigt, welche Bedeutung diese Kunstrichtung in ihren Anfängen hatte. LandArt in der abgeschiedenen Lage am Rande des Nationalparks Hainich zu betreiben, war das Motto im Jahr 2003.

Olaf Haugk aus Oranienburg, der hier mit dem Rasenmäher ein rhythmisches Muster geschnitten hat, zeigt besonders die Wirkung von LandArt auf einer Wiese am Rande des Weges in Richtung Hesswinkel. Seine barocken Schwünge bilden, aus der Luft gesehen, interessante Formen, sie weiten sich aus, erzeugen Wege, ja neue Wege, die beginnen, enden oder sich kreuzen. Er arbeitete mit dem Zeitfaktor, mit der Zeit, die alles verändern wird. Schon in nur wenigen Wochen wird sich die Gras-Art- Installation von Olaf Haugk wieder verändern, sie wird von den Witterungseinflüssen mehr und mehr zerstört werden. Die Wiese, die er verändert hat, mit deren Oberfläche er gearbeitet hat, fällt aber anders in das Bewusstsein der Sinne der Wander – und Kunstfreunde. Der Ort wurde verwandelt, plastisch gestaltet und ist mehr als zuvor dem Wechsel des Lichtes unterworfen, der Sonneneinwirkung, dem Wind und Regen. In einer performanceähnlichen Arbeitsweise bewegte er sich über die Wiese und veränderte diesen Biotop durch einen direkten Eingriff. Grasbüschel blieben stehen, sie vertiefen den Einblick und erhöhen ihn. Der Blick fällt nun durch die Rahmung auf diese abgemähte Wiese, die zum Art-Objekt geworden ist, ein Grasartgartenkunstobjekt eröffnet neue Ansätze für den Landschaftsgestalter. Wird so ein illusionistisches Landschaftsbild bei der Betrachtung entstehen, vielleicht zur Meditation führen, das eingebunden ist in den Klang der Natur durch die bewusste Veränderung ihrer selbst? Vielleicht kann der Wander- und Kunstfreund durch das Grün des Rasens die Stille und Ruhe genießen und dadurch eine neue erlebbare Dimension erfahren. Spuren entstehen in der Landschaft. Sie werfen ihre Schatten voraus. Wohin? Hinüber und zurück. In die Zeit, die nie dem Stillstand unterworfen ist. Alles ist im Fluss, ist bei Heraklit nachzulesen. Licht und Schatten bedingen einander, sie gehen eine Symbiose ein. So auch in der Arbeit von Bianca Seidel.

Bianca Seidel aus Chemnitz ist die jüngste Künstlerin. Schon 2000 arbeitete sie mit dem Bildhauer Stanislav Bizek und anderen jungen Kollegen an der Gruppe zum Mittelalter am Randes des Skulpturenweges. Sie zeigt jetzt hinter dem Park vom Herrenhaus ihre Adlerschatten in einer Senke. Ein herrliches Panorama lag ihr vor Augen. Die Äste, Holzpfähle, die teilweise wie Stangen wirken, ragen aus dem Boden hervor. Wie mahnende Schatten verpflanzen sie sich mit dem Boden. Ihr leicht bewegter Rhythmus steigt an und ebbt wieder ab. Ihre Bewegungen gleichen nicht der leichten Bewegung der Ähren im Wind. Die Äste sind starr und fest. Sie verzweigen sich und scheinen im gleißenden Licht der Sonne zu markanten Punkten zu werden. Wie Pfeiler wurden Äste in das Erdreich hinein gebracht. Bianca Seidel hat Spuren in die Landschaft gesetzt. Fundstücke aus der Umgebung, die sie zusammen getragen hat und gebündelt in ihre Installation gebracht. Sie markierte diese Senke mit ihren Ästen und Holzpfählen, um Schatten der Adler zu zeigen.

Ist es dann vielleicht paradox, wenn der koreanische Künstler Park Bong-Gi, der mit seiner Arbeit seine erste Arbeit in Deutschland installiert hat, den Baum so verändert, in dem er einen neuen Baum installiert? Eine nachbarschaftliche Beziehung gehen zwei Eschen im Park ein. Eine strebt in ihrer natürlichen Form nach oben, die andere ist in Einzelstücke zersägt wurden und erneut zu einer Baumform zusammen gesetzt. Das natürlich Gewachsene geht eine geheimnisvolle Verbindung mit dem vom Künstler Geschaffenem ein. Zwei Welten verbindet der Künstler hier, eine neue geordnete Welt mit der Welt des Ursprünglichen. Selbst die Räume, die zwischen den Dingen liegen, prägen die Form des Stammes in der Anhäufung und Schichtung der Holzscheitel.

Uwe Mädger aus Bremen nennt seine Installation „Baumtrunk“. Im Park hinter dem Herrenhaus wurde ein Energiefeld eines Baumes beobachtet. Bambusstämme ragen hinauf zum Baum, sie legen sich an Stämme und Äste und gehen eine ganz leichte Verbindung ein. Mädger, der sich mit Gartenbau und Landschaftsbau beschäftigt hat, versucht den Baum im ökologischen Gleichgewicht zu halten, in dem er versucht, sein Energiefeld abzutasten und zu unterstützen. Denn das Wachsen jedes Baumes wird von einem Energiefeld bestimmt, ob er nach oben wächst oder sich in der Bewegung nach links oder rechts ausdehnt. Die Bambustangen werden zu Trägern von Energien, die in den Baum zurückgeführt werden. Gleich vieler Trinkhalme wirken die mit Ton beschichteten Röhren im Naturraum. Eine trichterähnliche Form ist im Boden verankert, um den Energievorrat für den Baum, der aus der Wurzel kommt, ihm zu zuführen. Der Baum, der in seiner symbolischen Bedeutung schon in allen Kulturen und Völkern eine Rolle spielte, verbindet sich auch mit Riten und Mythen. Vielleicht wird durch jene Installation etwas von den alten Riten und Kulten, die dem Baum zugeschrieben wurde, lebendig. Der geheimnisvolle Ort, wie ihn der Künstler beschreibt, kann hier einer Tränke gleich werden. Das Geben und Nehmen der Nährstoffe verläuft endlos. Sein Energiefeld kann sich ausweiten. So können wir uns bei der Betrachtung gar nicht der Magie des Baumes und der Installation verschließen. Der Ahornbaum ernährt sich mit den Blättern und durch die Energie, die aus der Luft zu wirbeln scheint, dann und wann aber auch von den Bodenorganismen. Ob nun die Bambusstangen die Photosyntheseaktivität beeinflussen oder nicht, sei dahingestellt. Das Licht und die unsichtbaren Energien wirken dennoch. So wird die Energietransfer im Kreislauf gehalten.

Silvia Mack aus Berlin begibt sich auf die Balance zwischen die Baumkronen. Ihre skurrile Plastik auf Füßen aus etwas verwitterten Holz ragt fragil und leicht in den Naturraum. Nahezu skelettartig transformiert sie Schatten und Zeichen aus der Natur. Diese Arbeit lebt von der Beschwingtheit, die aber auch die Ermahnung eines fragilen Gleichgewichtes im ökologischen Raum andeutet. Ca. 2,10 m hoch ringt sie um Konkurrenz mit den Laubhölzern, mit dem Ausblick in den wolkenlosen oder bedeckten Himmel. Die Zwischenräume des Holzes lassen interessante Durchblicke und Einblicke entstehen, Rechtecke und Dreiecke werden von der Überlagerung der Formen geschnitten, gebündelt und akzentuiert. Jene Arbeit wird sich sicher auch durch Witterungseinflüsse verändern.

Friederike Caroline Bachmann und Klaus Müller aus Offenbach eröffnen uns einen Weg. Einen Weg, der am Rande des Hainichs verläuft. Eben nicht ein Hauptweg ist, sondern ein Nebenweg, der in das Gelände hineinführt, welches vorher noch unbekannt erschien. In der leuchtenden Farbe des Verlaufes muss sich der Kunst- und Wanderfreund nur wagen, die 20 m zum Zielpunkt zu erwandern. Ein lohnender Blick zum Inselsberg ist vergönnt. Er muss sich aber vom Hauptweg, der meist der bequemste ist, entfernen und den Nebenweg beschreiten, der sich zwar als Sackgasse erweist, aber ein herrliches Ziel verheißt. Es ist eben ein anderer Weg, so auch der Titel der Arbeit, der sich durch die bekannte oder unbekannte Landschaft schlängelt. 25 cm über den Erdboden bewegt sich man sich durch den Naturraum. Verspielt, beschwingt und heiter, vielleicht im Sinne des Rokoko, hier und da erhascht man einen Blick oder Ausblick, der sich als Aha-Effekt erweist. Der einst unwegsame Weg wurde zu einem Erlebnisweg. Diese Arbeit wird zur „site sculpture“, einer Installation, die zum Teil eines bestimmten Ortes geworden ist. In der man Natur und Kunst in gleicher Weise genießen kann. Denn die Blicke können zu schon vorhandener Kunst schweifen. Ja, der Tag des Solstitium, der Sonnenwende, er hat heute, am Ende des Symposiums, begonnen.

Der Lenker des Sonnenwagens scheint am heutigen Tag den größten Radius zu schlagen. Der Fixstern Sonne hat seine größte Deklination erreicht. Die Kraft der Sonne versiegt am Beginn des Sommers, und die Tage werden wieder kürzer. Wenn der ägyptische und griechische Gott Hermanubis zeichnet, dann zeichnet er diese Kraft der Sonne, die langsam herabsteigt. Sein Bild sieht wie folgt aus: Die Sonne sinkt ins Meer der Nacht und der Krebs läuft in das Wasser.

Noch bewegen wir uns unter dem Zeichen des Zwillings, morgen, am 22.6.03, beginnt nun das Sternbild des Krebses, dem Sternbild des Apoll, der dann und wann dem Sonnengott Helios gleich gesetzt wird. Reinmar Senftleben aus Stuttgart macht uns mit seiner Installation „Sonnenwiege“ auf den heutigen Tag mit seiner Sonnenwende aufmerksam. Im Gras wiegt sich die Sonne, sie lässt geometrische Formen hervor treten. Sein Objekt ist in Nord-Südausrichtung ausgerichtet worden. Wenn das Licht genau in seinem Radius über das Stahlrohr reflektiert wird, dann hat die Sonne ihren höchsten Stand erreicht. Mit der Aussicht auf die Senke vor dem Weg nach Hesswinkel, findet nun jedes Jahr zur Sonnenwende, jenes Schauspiel statt. Senftleben, der im Park von Behringen schon mit der Installation „Tiefe“ vertreten war, die leider dem Vandalismus zum Opfer gefallen ist, spielt hier wieder mit seinen Symbolen Kreis, Dreieck und Rechteck.
Die geometrischen Formen durchdringen einander im Schauspiel des Lichtes, der mit der magischen Anzahl der drei Travertinsteine die Installation zu einem mystischen Objekt macht. Er schlägt damit den Bogen zu den Anfängen der LandArt, wo man sich Orte und Themen alter Riten und Kulte aussuchte, um im Naturraum wieder an jene Wurzeln zu gelangen. Seine drei Travertinsteine bilden ein horizontales gleichseitiges Dreieck, dessen Spitze in Richtung Sonne zeigt. Der Tag des Solstitium beginnt nun am Ende des Symposiums mit der Begehung dieser Arbeit. Sei es nun, dass jene astronomische Uhr als Kalendarium der Zeit verstanden wird oder zum Zeichen der Vanitas wird, werden die temporären Objekte länger oder kürzer zu sehen sein. Im allgemeinen möchte man auch diesmal meinen, dass die Künstler einen Einklang mit dem Naturraum und den Naturkräften anstrebten. Und die bewusste Veränderung der Natur behutsam erfolgte.

Lassen Sie mich, liebe Kunstfreunde und Gäste mit einer Aufforderung schließen, die Donald Burgy zur KonzeptArt sagte:

„ Beobachte etwas, wie es sich in der Zeit verändert - Beobachte etwas, wie es sich unter verschiedenen Emotionen verändert - Beobachte etwas, das sich nie verändert.“

In diesem Sinne viele Freude bei der Erkundung und Begehung der Installationen.
Danke.

Diana Henkel- Trojca
Erfurt, im Juni 2003

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