Laudatio

Laudatio zur Eröffnung des neuen Skulpturenrundwanderweges Hütscheroda-Behringen am 20. Mai 2000

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Künstler und Kunstfreunde, es ist wohl nicht neu, daß es in dem landschaftlich reizvoll gelegen Hütscheroda und Behringen seit einiger Zeit Kunst die Landschaft verschönert. Vieler Orts passiert das durch direkten Eingriff in die Umgebung, die dadurch nicht anziehender oder schöner wird, sondern die besondere Note der Orte zerstört. Kunstwerke dienen auch vielerorts eben nur der reinen Dekoration und werden nicht sehr oft in Beziehung zur Umgebung gesetzt. Aber hier im Naturschutzgebiet Hainich wird mit Kunst und Natur sensibel umgegangen, denn das Naturschutzgebiet muß in seiner Form mit seiner interessanten Flora und Fauna erhalten werden. Der Nationalpark, der vor zwei Jahren eröffnet wurde, erweist sich als interessantes Gebiet für Natur- und Wanderfreunde- und seit 1996 für Kunstfreunde. Der Hainich ist der erste Nationalpark in Thüringen und umfaßt mehr als 7600 Hektar. Es ist nicht nur der besonderen Lage des Gebietes zu verdanken, daß hier nun schon in einer Tradition Kunstprojekte durchgeführt werden. Nicht zu letzt danken wir dem Initiator Jürgen Dawo für sein Engagement und sein großes Interesse an diesem Landstrich und an der Kunst. Alles begann sich 1996 zusammenzufügen Der 1996 angelegte Skulpturenpark bot acht Bildhauern aus unterschiedlichen Ländern die Möglichkeit, ihre Werke im Park aufzustellen. Damit wurde man aufmerksam gemacht auf den Park, der ja schon mit der Weymouthskiefer ein skulpturales Element besitzt. Die Aufstellung von Plastik oder Skulptur im öffentlichen Raum war schon in der Zeit des Barock von großer Bedeutung. Wer kennt nicht das lkonografische Programme in Schloßpark von Versailles. Jeder Figur wurde dort eine Bedeutung gegeben. Oft stellten diese Plastiken Allegorien für den Herrscher dar. Waren immer eingebettet in ihren Kontext und unterstrichen den Charakter des Schlosses und des Parks. Das war dann auch im Skulpturenpark von Behringen zu erkennen. Mit der Erweiterung des Parks und der Gestaltung des Skulpturenwanderweges von Behringen nach Hütscheroda ist noch ein zweiter besserer Wurf gelungen. Denn der Gedanke, Skulpturen auf einen Weg zu bringen, ist auch nicht neu in der Kunst. Wir kennen Pilgerwege, wo man zu einem Wallfahrtsort pilgert und Rast macht an Bilderstöcken, die Szenen aus der Passion Christi zeigen. Hier ist vielleicht der Gedanke geboren wurden, Kunst in Einklang mit der Natur zu bringen. Das Zusammenwirken von Mensch, Natur und Kunst wird jedenfalls in den Arbeiten aus dem 1997 eröffneten Wanderweg sichtbar gemacht. Der abgelegene Ort Hütscheroda besaß schon den Eilbotenweg, der aber mit der Gestaltung der Skulpturen diesen beiden Orte auf sehr schöne Weise verbindet. Auf dem Weg erlebt der Wanderer Nah- und Fernsichten auf die Silhouette des Thüringer Waldes. Am Rande des Weges sieht der Wanderfreund auf Buchen oder Eichen des Hainichs, des Nationalparks und hält Zwiesprache mit der Kunst. Der Weg endet schließlich im Ort Hütscheroda. Aber dort beginnt sich jetzt ein neuer Weg aufzurollen. Biegt man an der B 84 nach Hütscheroda ab, dahin führt ein schmaler Weg in den Ort. Da sieht man plötzlich ein Zeichen in Form einer Skulptur am Straßenrand. Was war denn das, denkt vielleicht der Besucher. Ein Vogel auf einem Ast kann es doch unmöglich gewesen sein. Es ist Kunst am Wege gewesen, die nun einlädt zu einem Spaziergang auf dem neuen Skulpturenrundwanderweg. Dieser ist nun eine glückliche Ergänzung zum großen Wanderweg geworden und er verbindet sich mit dem alten Weg von 1997 . Der Weg hier führt am Feldrain vorbei und stößt in einer Senke auf den alten Wanderweg. Es wurden von 3 Künstlern, einem Praktikanten und dem schon bekannten Försterkünstler 6 Skulpturen gestaltet, die von einer tiefen Harmonie zwischen Kunst und Natur sprechen. In 14 Tagen Arbeitszeit hatten sie ihre Gedanken und Ideen zum Thema- "Zusammenwirken von Mensch, Natur und Kunst zu gestalten. Es sollten Arbeiten aus Eichenholz , die aus dem Hainich stammen, wieder in die Natur gestellt werden. Die Eiche mit ihrem harten Holz ist Symbol der Dauerhaftigkeit und Stärke. Sie war einst im indoeuropäischen Raum ein heiliger Baum. Dieses feste Holz bearbeiteten nun Künstler. Dabei hat jeder Künstler sich einen geeigneten Standort gesucht, um den bestmöglichen Wirkungsplatz seiner Skulptur zu finden. Es waren nun jene Eichenstämme, die hinter dem Herrenhaus bearbeitet wurden und die unterschiedliche Handschriften und Arbeitsweisen der Künstler zum Ausdruck bringen. Karl Friedrich Bodenstein gibt mit seiner Skulptur , dem Specht aus dem Hainich, den Auftakt, den ich schon beschrieben habe. Ein Specht, der im Hainich auch dann und wann zu hören ist, bohrt sich durch den Stamm der Eiche und kann wohl als Metapher des Sklupturenprojektes verstanden werden. Denn bohrte sich nicht jeder mit seinen Ideen und Gedanken in sein Holz hinein, hielt mit ihm Zwiesprache und erweckte das Holz zu neuen Leben? Der Specht galt bei vielen Völkern als schutzbringend und glückbringend. Er ist als weissagender Vogel schon den Germanen vertraut gewesen vgl. Herder Lexikon der Symbole. Freiburg, Basel, Wien 199 1. S. 159 f ) Na ja, schutzbringend ist er dem Wanderer und Kunstfreund sicher, wenn er ihm auf den Weg lockt und ihm die Kunst eröffnet. Und glückbringend sicher auch, denn wer schätzt sich nicht glücklich, in einer solch botanisch interessanten Gegend sich zu erholen und die Natur von ihrer sehr schönen Seite zu genießen? Und weissagend ist er auch, denn er verheißt, daß sich hinter seinem Auftakt noch weitere Kunstwerke befinden. Mit seinem langen Schnabel, der spitz ist, hat er sich schon in den Baum hineingebohrt und hat schon die Borke des Baumes durchstoßen. Das Klopfen ist nicht mehr zu hören, vielleicht hört der Kunst und Wanderfreund sein Klopfen, wenn er in der einsamen Stille des Tages oder des Abends dem Ruf folgt? Interessant es zu wissen, daß er, da er Würmer vertilgt und zugleich ein Feind des Teufels ist. Jedenfalls ragt der ca. 3m hohe Stamm heraus und weist dem Kunstfreund den richtigen Weg. Der zweite Künstler, der hier seinen Arbeit zeigt, ist der Künstler Peter Genßler aus Nordhausen. Er zeigt eine weibliche Figur, die sitzend den Besucher empfängt. Sie hockt wie auf einem Pfahl mit erhobenen Armen am Wegesrain gleich einer Hexe und lauert auf den Besucher. Das natürliche Material Holz wurde durch ihn in eine menschliche Figur umwandelt und bekommt seinen Platz in die Natur zurück Genßlers Ansinnen war es, mit der Figur dem Kunstfreund ein Erlebnis zu bieten. Das hat er gestern Abend schon im Vorfeld getan, als die Figur mit Spiritus übergossen wurde und ihn Flammen aufging, war es mir, als sei eine Hexe verbrannt wurden, sie loderte in Flammen und zurückbliebt das verkohlte arme Geschöpf, was jeder Besucher sehen kann. Aus dem Stamm der Eiche entstand nach seinem Modell eine Variation. Die Fläche der Hexe wurde nun nach der Performance in etwas Neues und in einen neuen Kontext umgewandelt. Ihre Oberfläche hat durch die Performance eine besondere Struktur erhalten. Wie auf einem Berg sitzt sie da in der Natur. Es ist wohl ein magischer Ort, den der Künstler hier für sie ausgewählt hat. Der sensible Umgang mit der Figur, war ihm sehr wichtig. Aus der Natur hat er aus einen Stamm eine Figur in einer Abstraktion geschaffen. Oft wurden seine Spuren von der Musik und deren Rhythmen bei der Arbeit beeinflußt und nun steht das Endergebnis der Hexe da. Das Modell eines schönen jungen Mädchens erfuhr hier eine Metamorphose. Die althochdeutsch hagazussa, die Zaunreiterin, die im Volksglauben meist häßlich aber auch verführerisch sein kann , die mit dem Teufel im Bunde steht und mit dämonischen Kräften die Gewalten der Menschen durcheinanderzubringen versucht, ist hier als harmlose Gestalt zu sehen. Sie reitet zwar nicht auf einem Besen, aber der Platz hier ist schon etwas magisch und wer weiß, ob sie nicht ein Spielchen mit der Natur macht, aber schließlich ist sie gestern verbrannt wurden. Der dritte im Bunde der Bildhauer ist Ralf Täfler aus Etterwinden. Er suchte sich für seine zwei Arbeiten einen besonders schönen Ort aus, der Aussichten auf die Felder bot. Zwischen schattigen Bäumen stehen seine zwei Arbeiten, die sich als Pandant ergänzen. In dem schattigen Hain gehen sie wohl im Laufe der Zeit in die Natur über, werden eins mit ihr werden. Da ruht in sich eine weibliche Figur. Sie erscheint als Gehende, ihr gegenüber eine Figur, die von einem Strahlenkranz umgeben wird und das Wechselspiel des Lichtes und der Jahreszeiten beobachten wird. Eigentlich wollte Täfler eine schreitende Gestalt darstellen, aber diese Idee gab er auf und so entstand zunächst eine Figur des Atlas, der mit dem Rücken das ganze Gebälk der Erde trägt. Diese mythologische Figur aber erfuhr bei ihm wieder eine Metamorphose und so entstand eine Arbeit mit dem Titel " Smiling in the moming sun". Es ist eine kantige und runde Figur geworden. Die einen reichen Formkontrast zeigt. Das kantige wirkt in der Gestaltung an die Erde gebunden, scheint mit ihr verwurzelt zu sein, das Runde aber etwas nach oben Strebendes. Werden hier Werden und Vergehen oder Leben und Tod gezeigt? Der Unterbau der Figur erscheint als Quader und darauf sieht der Kunstfreund Zeichen und Symbole, die etwas von der Magie der Figur erzählen. Es sind Zeichen einer geheimen Sprache der Kunst, die aber entschlüsselt werden kann, läßt man sich mit dem Spiel der Kunst ein. Oben auf den Stehle erscheint in kugelförmigen Gebilden etwas Kopfähnliches, daß von Strahlen, wie den Sonnenstrahlen umgeben wird. Am Morgen, wenn die Sonne aufgeht, der Tag beginnt, erstrahlt hinter ihr das Leuchten, der neue Tag bricht herein und bringt die jugendliche Schöne hervor. Sie schreitet dem Tag entgehen. Runde und eckige Formen sprechen auch vom männlichen und weiblichen Prinzip, das hier zum Einklang gebracht wird. Was die Morgensonne nicht alles bereithält. Schon so mancher junge Mann wurde im Traum von der Eos, der Göttin der Morgenröte, wachgeküßt und erfuhr "Smiling in the moming sun" auf seine Weise. Aber vielleicht zeigen diese Arbeiten auch den Kontrast von Tag und Nacht. Jedenfalls halten die beiden Zwiesprache in und mit der Natur und erscheinen im Wandel und Wechsel der Jahreszeiten immer aufs Neue interessant. Hardy Raub aus Eisenach zeigt auf dem Weg eine Figur zum Thema, Metamorphose. Die Metamorphose gestaltete er in der Form eines jungen Mädchens, das in einen Baum übergeht. Wer erinnert sich da nicht an den alten Mythos den Ovid in seinen Metamorphosen beschreibt. Das junge Mädchen Daphne, daß den Nachstellungen des Apoll flieht und sich in einem Lorbeerbaum verwandeln lies von ihren schwesterlichen Nymphen. Hier bei Raub wurde geradezu eine weibliche Gestalt aus dem Baum herausgearbeitet und zu neuen Leben erweckt. In zarten, weichschwingenden Formen und Linien hat sich ein sinnlicher Frauenkörper aus dem Holz entwickelt. Ihre zarten Glieder gehen mit den Beinen in den Baum über. Sie wird mit ihm eins. Alles befindet sich in Bewegung und Veränderung und das ist in der Arbeit des jungen Künstlers zu sehen. Körper, Seele und Geist gehen hier über in den Baum. Der Mensch geht hier in die Natur mit der Aufstellung der Plastik in ihr zurück. Jener Stamm ist aus der Natur gekommen und geht in seinem Kreislauf wieder zurück und der Kreislauf schließt sich wieder. Hier wird Werden und Vergehen in ihren Grenzen verwischt. Im gewölbten Bauch der Figur ist Leben und sie gibt das Leben in die Welt hinaus, aber mit der Geburt beginnt auch schon der Weg zum Tod. Ihre Gestalt ist Abschied oder Neubeginn zugleich. Die erhobenen Anne und ihr gesenktes Haupt lassen Spielraum für Assoziationen des Betrachters, der sie wie eine Mahnende am Wegesrand stehen sieht. Der letzte Künstler ist Benjamin Hahn, der eigentliche Praktikant. Er zeigt in seiner Stehle eine Arbeit in der er das Thema momentanes Organ problematisiert. Es entwickelt sich eine runde und organischen Form in dem Stamm. Der Stamm ist in seiner Form beibehalten und wird in der Aufstellung eins mit der Natur. Seine Formen lassen Körperteile assoziieren. Die Oberfläche der Eiche ist stark und grob bearbeitet. Das Organische, das Lebendige und die Bedeutung von Leben und Tod kommen auch hier zum Ausdruck. Alle Arbeiten der Künstler zeigen, daß hier eine tiefe Harmonie zwischen Mensch, dem Bildhauern selber, der Natur, aus dem die Stämme kommen und der Kunst zum Ausdruck kommen. Das Werden, Vergehen der Natur, mit ihrem Organischen und Lebendigen zeigt sich in den Arbeiten. Diese sind Zeichen einer Metamorphose der ständigen Veränderung der Dinge. Sie sind wohl mit Land Art zu vergleichen, denn ihre Ursprünglichkeit werden sie durch Witterungseinflüsse verlieren und irgendwann mit der Natur eins werden. Bald werden sich erste Zeichen einer Patina zeigen und jedes Kunstwerk wird in in die Natur übergehen. So kann die Arbeit von Hardy Raub Metapher dafür sein, das wir der ständigen Veränderung unterliegen und uns auch Kunstwerke verändern können, nämlich zum Nachdenken über Werden und Vergehen anregen. Lassen sie mich mit einem Zitat von Goethe meine Rede beenden. " Man sagt- Studiere Künstler die Natur! Es ist aber keine Kleinigkeit, aus dem Gemeinen das Edle, aus der Unform, das Schöne zu entwickeln. Die Künstler studierten die Natur und fanden aus der Unform des Eichenstammes eine Anregung für die Skulptur. Die sowohl Schönheit und Vergänglichkeit zeigt. Sie mit der Natur zu verbinden und in harmonischen Einklang mit ihr zu bringen, ist wohl das schönste Ziel der Arbeiten. In diesem Sinne wünsche ich der Wegergänzung die rechte Resonanz bei Kunst- und Wanderfreunden.

Diana Henkel, Kunstpädagogin

zum Seitenanfang