Worte zum 13. Bildhauer- Symposium in Hütscheroda am 5. Juni 2009

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde der Kunst, liebe Künstler, werte Gäste,

 

wenn Tradition und Innovation aufeinander treffen, dann sind wir im Kunstort Hütscheroda angekommen, in dem eine Gruppe Kunstgeister ihr Unwesen trieb. Der kleine Ort outet sich heute als Ort der Geheimnisse, der Zaubersprüche und der Magie. Die diesjährigen Künstler spielen mit ihren Installationen mit den Varianten des Un-Glaubens, der Wünschelrute, dem Orakel, den Stimmen aus Diesseits und Jenseits, den Schatten der Unterwelt, den Dämonen und mit dem Licht. Sie beschreiben ihre Ideen von Ritualen, Symbolen und ihre persönliche Sicht auf Aberglaube, Glück und Orakel. Gefunden wurden von 6 Künstlern Sinnzeichen, und sie unterweisen uns bei der Betrachtung in ihre magischen Kunstwerke. Jene okkultischen Gedanken entnahmen sie unterschiedler Kulturen, Mythen und Sagen. Aber woher kommt der Aberglaube? Fragt man das Wörterbuch der Etymologie, so wird der Aberglaube als Wort beschrieben, das es seit dem Spätmittelalter gibt. Das Wort „Aberglaube“ ist seit dem 13.Jahrhundert schriftlich belegt als abergloube. Der Wortbestandteil „aber-“ bedeutete etymologisch: „nach, wieder, hinter“, wobei aber später eine abschätzige Bedeutung bekam. Die Bekehrung der Heiden war in Europa zu der Zeit abgeschlossen, doch der Volksglaube, der Glaube an Hexen, Magie usw. mit seinen Riten lebte weiter. Zaubersteine, Amulette, Sprüche, heilige Bäume, Quellen und heilige Haine, die man als Orte verehrte, wurden besucht, Symbole getragen

 

 

Nachtschatten- Schatten von Hütscheroda- Marc Haselbach(D)

Ein Sammler der Regionalmythen ist der Künstler Haselbach. Mit Ton greift er in einen Baum, um den Gedanken der Wunderkammer figürlich darzustellen. Er ertastete die Oberflächen und versucht ein Figurwesen dem Baum zu entlocken, wobei er das dämonische Gesicht des Baumes im Aufbauverfahren mit Ton beschreibt. Schicht für Schicht setzt er in die Schnittwunde des Baums. Er ist eine alte Eiche, die einst einen rituellen Charakter besaß. Hier fängt er die alten Schatten und Schattenwesen von Hütscheroda ein, die aus der Rinde kommen, im Geäste sitzen. Und es bildet sich immer ein Schatten, nicht nur im Schattenreich von Hades, auch unter der Eiche. Aus der Öffnung im Baum baut er eine Brücke vom Jenseits zum Diesseits auf. Das Ambivalente von Leben und Tod, Licht und Schatten wird deutlich. Wenn C.G. Jung unter dem Schatten das Unterbewusste versteht, dann kommen aus dem Baum jene Kräfte hervor.

Er sagt: „ Ohne Schatten kann der Bildhauer nicht auskommen, wo Licht ist, muss unweigerlich ein Schatten sein“.

 

 

Jan Thomas(D)– Waldgeister oder die Entstehung vom Aberglauben

Aberglaube entsteht durch die falsche Zuordnung von Ursache und Wirkung. Ein Hintergrund vieler weltlicher Formen von Aberglauben ist der so genannte „Volksglauben“, wobei hier die Grenze zwischen Fehlverwendung und mangelnder Informationslage nur schwer zu ziehen ist– etwa bei den so genannten Bauernregeln, mit denen zum Teil Erfahrungswerte aus Haushalt und Landwirtschaft vermittelt werden, zum Teil jedoch auch Wettervorhersagen betrieben werden. Der Nachweis, dass Glaubensinhalte von Konventionen abhängig und deshalb nicht objektiv seien, macht sie in der Westlichen Welt oft zum Aberglauben. Dagegen kennen viele Kulturen außerhalb Europas weder den Begriff „Aberglauben“, noch die exklusive Vorstellung eines „rechten Glaubens“. Aber oft schon sah man Geister in Bäumen. Der Betrachter der Bäume im Park wird aufmerksam gemacht, Geister und Dämonen zu suchen und diese in den Fratzen, Schädeln und Trolle zu finden, die Jan Thomas mit Ton auf die Baumrinden setzt. Seine Geister kommen aus dem Inneren des Baumes und tollen an ihm, in ihm und über ihn, bis sie wieder ins Trollreich verschwinden und im Inneren ihr Unwesen treiben. Ton und Baumrinde gehen ineinander über und werden zu einer Gestalt.

Er sagt: „Alle Geister sind flüchtig“

 

Eckhard Roth (D)- oder die aktuelle Bedeutung und Verbreitung im 21. Jahrhundert

Aberglauben ist auch heute noch weit verbreitet. Einige Fahrstühle in Hotels haben keinen 13. Stock. Aber heutzutage finden sich nur noch Reste von Aberglauben, meist unbekannter Herkunft im europäischen Kulturkreis. So die schwarze Katze, die beim Vorübergehen aus einer bestimmten Richtung Pech bringen, oder dass es unvorteilhaft für das Lebensglück ist, unter einer Leiter hindurch zu gehen. Gleichzeitig vermittelt ein vierblättriges Kleeblatt Glück Tatsächlich sind gerade diese Formen traditionellen Aberglaubens jedoch auch heute noch weit verbreitet. In der Gegenwart weit verbreitet sind die Theorien der Esoterik wie etwa der Glaube an Horoskope, Zahlenmystik oder so genannte Mondkalender. Und im Park von Hütscheroda prangt der Aberglaube in den Bäumen. Ein Lichtgewirr soll eine alte Kastanie in das Zentrum der Magie führen, aus dem das Licht, die Energie des Baumes, zum Tragen kommt. Die Acryltafeln verweben sich mit dem Baum, der nach Untergang der Sonne aus dem Inneren zu Leuchten beginnt. In der „Blauen Stunde“ soll es aus dem Stamm leuchten und das Dämonische gezeigt werden. So zeigen sich die Baumgeister nachts im Licht. Das Licht grenzt sich auf jeden Fall von der Dunkelheit ab. 

 

Er sagt: „Ich arbeite immer mit Licht, denn Licht vertreibt das Dunkel“

 

Oliver Scharfbier (D) oder die Gründe für Aberglauben

Aberglaube liefert aufgrund der narrativen Einbettung seiner Inhalte noch heute viele Hinweise auf das soziokulturelle Wissen alter Kulturen und ist Objekt zahlreicher volkskundlicher Forschungsarbeiten. Aus volkskundlicher Sicht kann man sagen, dass der Glaube dann zum Aberglauben wird, wenn er mit der soziokulturellen Entwicklung nicht mehr Schritt halten kann. Analog dazu könnte man aus wissenschaftlicher Sicht sagen, dass Theorie zum Aberglauben wird, wenn sie mit der Entwicklung des Wissensstandes nicht Schritt hält: Viele heute als Aberglauben bezeichnete Denkweisen waren einmal aktuell und anerkannt. Oliver Scharfbier findet Fundstücke aus Holz, er reiht sie ineinander und lässt daraus Bootformen entstehen, die alte Riten und Symbole lebendig werden lassen. Aus Bauabfällen baut er seine Objekte auf. Hier lagert der Geist der alten Balken, Hölzer oder Stämme. Ein Relikt aus der Vergangenheit kommt in die Gegenwart, in der es neu erlebt wird, es entsteht und zerfällt wieder. Das Boot, Lebensschiff oder die Arche Noah werden zur scheinbaren Rettungsinsel im Werk von Scharfbier oder zum zerbrochenen Schiff der Unterweltsbarke.

Er sagt:“ Ich baue, setze und füge Altes zu Neuen zusammen, was wiederum zerfällt.“

 

Gaby Taplick (D) Rituale und Bräuche

Aberglaube ist oft eine Form von überlieferten wiederholten, habitualisierten sozialen Handlungen und Bräuchen, die einstmals unter Umständen mit Sinn verbunden waren, später jedoch zu sinnentleerten Ritualen wurden. Auch sind in bestimmten Milieus abergläubische Vorstellungen verbreiteter als in anderen, was auf eine soziale Funktion des Aberglaubens hindeutet. Besonders in Berufsgruppen, die sehr von äußeren Umständen abhängen, ist oft ein durchaus lebendiger und ritualisierter Aberglaube typisch, so bei Seeleuten, Bauern, Soldaten im Krieg, darstellenden oder riskanten Berufen (z.B. Schauspielern, Sängern, Glücksspielern, Sportlern). Das deutet auf eine Sicherheit schaffende psychologische Funktion von Aberglauben hin. Häufig entsteht auch ein privater Aberglaube aus der Verknüpfung bestimmter Erfolgs- oder Unglückserlebnisse mit zufälligen Begleiterscheinungen, zwischen denen dann eine kausale Verknüpfung hergestellt wird. Gaby Taplich baut einen Haufen von Wünschelruten aus Weidenzweigen auf. Man soll sich nun selbst auf die Suche nach Wasseradern oder Schätzen machen und wird angeregt, in der Tiefe des Seins, sich selbst ein Stück näher zu kommen, eigene Adern der Kraft zu finden.

Sie sagt:“ Die Wünschelruten sollen der inneren Meditation oder Besinnung dienen“.

 

Benoit Maubrey(USA) oder der bewahrheitete Aberglaube

Für bäuerlichen Aberglauben hielt man z.B. die Auffassung, dass dort, wo Berberitzen wachsen, die Getreide-Krankheit Schwarzrost auftritt, bis man wissenschaftlich nachweisen konnte, dass die Berberitze Zwischenwirt des Pilzes ist, der die Krankheit auslöst. Daraus lässt sich die Einsicht gewinnen, dass "abergläubisch" nicht bestimmte Arten von Aussagen sind, sondern Aberglauben darauf beruht, in welcher Weise die Menschen mit denselben Aussagen umgehen, d.h. auf Grundlage welcher Argumente oder Methoden sie diese glauben bzw. als wahr akzeptieren. Durch Stimmen aus dem Diesseits und Jenseits werden auch immer wieder Mythen des Aberglaubens gebildet. Der Tonkünstler verfremdet den Ton, umschreibt neue Worte und nimmt die Umwelt bewusst war. Das Dämonische, das Mythische und Seltsame wird durch Sprache verfremdet und neu inszeniert. Stimmen aus dem Diesseits klingen wie magische Zaubersprüche, die die Pythia nicht besser hätte murmeln können.

Er sagt: „ Töne der Luft werden zu Klangskulpturen, die verfremdet werden.“

 

Auch in der Geschichte der Literatur  findet man Zitate, in denen der Aberglaube beschrieben wird, einige Beispiele, die zeigen sollen, dass in vielen Jahrhunderten der Aberglaube eine Rolle spielte.

„Der Aberglaub', in dem wir aufgewachsen, verliert, auch wenn wir ihn erkennen, darum seine Macht nicht über uns. (Lessing. aus: Nathan der Weise)

„Der Aberglaube ist die Poesie des Lebens.“ (Goethe: aus Maximen und Reflexionen)

„Ein jeder Aberglaube versetzt uns in das Heidentum.“ (J. v. Liebig. aus Chemische Briefe)

Mit der Aufstellung der unterschiedlichen magischen oder dämonischen Werke werden wir im 21. Jahrhundert in das Thema Glaube oder Aberglaube geführt, um in den Sinnbildern etwas vom Geheimnis des abergloube, einer Zusammensetzung aus mittelhochdt. aber - verkehrt und gloube, geloube – Glaube, zu erfahren. So zeigt jeder

seinen Aberglauben, Abglauben, Irrglauben, Häresie, Götzendienst, Idolatrie auf eigene Weise. Aber Vorsicht, die Trolle, Geister und Dämonen könnten bei der Betrachtung lebendig werden.

 

Was führt alle Künstler in diesem Symposium zusammen? Ihre Okkulten Vorstellungen, ihre Praktiken?

Als okkulte Praktik wird die Fähigkeit des Hellsehens bezeichnet, in dem sich der Waldgeist in Ton oder der Schatten in Ton versteckt. Das betrifft auch die Fähigkeit, Ereignisse zu sehen, bevor sie geschehen. Ist also in die Zukunft gerichtet, also mit der Wünschelrute auf Wanderschaft zu gehen.  Das Medium ist also in der Lage, die Grenzen vom Raum und gleichermaßen der Zeit zu überspringen, wenn dann der Kastanienbaum in der Nacht in der Farbe Gelb erstrahlt und die Nachtgeister wachen. Oder aus dem Schuttschiff Gedanken an Hellseher, Schamanen, Magier oder Hexen entstehen. Vielleicht auch der Ton im Video eingefroren ist, der vergängliche Töne aus dem Jenseits sendet. Verschlüsselt wie die Merseburger Zaubersprüche zeigen sich in unterschiedlichen Medien die Götter und Dämonen, sie erregten Wind und Sturm durch ihre bloße Macht, der Zauberer bediente sich der Lieder. Wie der alte Götterglaube und die Zauberei sanken auch die Heilformeln zur „Narretei alter Weiber” herab. „Die Zaubersprüche indes gehören zu den wenigen erhaltenen Zeugnissen des Heidentums.“ (aus: Deutsche Mythologie II, 1028).

In diesem Sinn lassen Sie sich auf die Geister der Kunst ein, denn man sieht die Dinge, die Leere und die Zwischenwelt.

 

Danke.

 

Diana Trojca M.A.

Erfurt, im Juni 2009