Per Motorsäge und Meißel mit der Natur auf du und du

"Bauhof und Firma Nippold müssen Gruben für die Fundamente machen und schalen,
Mittwoch kommt der Beton", ist Wolfgang Luther in Druck. Der Mann von der Europäischen
Kommunikations-Akademie betreut die zwölf Künstler des Symposiums. Die Bildhauer
arbeiten im Park des Herrenhauses und auf einem Platz jenseits der Dorfstraße. Ihr Thema:
Umweltschutz und Umweltverschmutzung. Von der Aufregung unberührt, zeigt sich Georg
Laschinger. Der Boden für seine fünf Kuben ist längst ausgehoben. Auf dem
transparenten Polykarbonatglas werde sich der Umweltdreck absetzen, meint er. "Unsichtbarer
Befall", nannte er seine Arbeit. "Sie sollen wie Ausschlag in der Landschaft stehen und Manipulationen
am Individuum aufdecken", erläutert er.Aus dem Park ist der dumpfe Schlag des Knöpfels
und das Eindringen des Meißels ins Holz zu hören. Stefan Ester legt aus einem Stamm
jene Menschengestalt frei, die auf vier geschwärzte Stämme der "Letzten Zerstörung"
blicken wird. Nebenanbeäugt Udo Richter das vorerst missglückte Ergebnis seines
Experiments. Von Hause aus Eisengießer wollte er mit Schmelztiegel und Gussform die Äste
einer Rhobinie mit Alu-Guss verbinden. "Das ist unorthodox, aber Symposien sinddazu da, etwas
auszuprobieren", zuckt er mit den Achseln. Damit sich seine kosmischen Wesen doch noch mit der
Natur arrangieren können, wird er erneut in sie eingreifen müssen.

Auf der Leiter windet sein Namensvetter Dirk aus Leipzig Draht um Buchengeäst. Das hatte er mit
dem Förster im Hainich geschnitten. Als Addition vieler organischer Formen betrachtet er seinen
künftigen Würfel, den er "Acht Kubikmeter Hainich" nannte. Vor allem die Arbeitsatmosphäre,
die internationale Streuung des Teams und dass immer ein Ansprechpartner vor Ort sei, hebt er hervor.
Nur wenige Schritte weiter flicht Studentin Iris Zogel Weidenruten um ein Gerüst aus dickem Draht.
An einem der höchsten Punkte des Skulpturen-Wanderweges soll der skurrile Korb gefilterte Luft an
das Dorf im Tal schicken. An Stelle des künftigen Propellers legt im Innern Fabricio Dieci mit Hand
an. Der Künstler aus Carrara dürfte der Unglücksrabe in der Runde sein. Erst gestern
Morgen traf sein riesiger Marmorblock ein. Bislang arbeitete er aus Travertin den zum wasserspendenden
Monument gehörenden Opferstein. Nun heißt es: Warten auf den Kran.

Jenseits der Straße verfolgt Karl Entrich, wie Ortrud Sturm mit der Motorsäge hantiert. Ihr Turm
aus vielen Holz-Modulen soll drei Meter hoch werden und die Vielfalt der Natur symbolisieren. "Hier wird
unter Mithilfe des ganzen Dorfes gearbeitet" schmunzelt Hartmut Wolf, auch Lupus genannt. "Fehlt mal
eine Dichtung oder ein Stück Schlauch, er hilft", deutete der Bildhauer auf Karl Entrich und kehrte
zurück an sein steinernes Ohr. Unter einem Nest in einer verwachsenen Parklinde soll es in die
Natur lauschen. Derweil zieht sich Lidia Rosinska die Schutzmaske vom Gesicht. Die Polin hatte die
Konturen von Astwerk in einen ihrer Granitblöcke geschnitten. Die Thüringerin Beate Debus
dagegen erläuterte ihren hölzernen Schutzraum, in dem ein Rückgrat auszumachen
ist. "Das brauchen wir Menschen, um die Natur zu schützen", sagt sie.

"So viele Handschriften, die Internationalität, und so viel Wechselbeziehungen und Spannung",
schwärmt Diana Henkel. Die Kunstpädagogin aus Eisenach wird zur Aufstellungsfeier am
Samstag die Laudatio halten.

 

Thüringer Allgemeine (30. Mai 2001)