Wanderers Ruh

Behringen bietet Gelegenheit dazu

 

Schwelgerisch ausgeschmückt, lautet der Titel des diesjährigen 6. Internationalen Bildhauersymposium in Behringen-Hütscheroda „Künstler gestalten Sitzgelegenheiten in herrlicher Aussichtslage am Nationalpark Hainich entlang des bestehenden Skulpturenwanderweges“. Gefördert wurde es vom Minister für Bundes und Europaangelegenheiten, Jürgen Gnauck, der es sich zur Ausstellungsfeier angelegen sein ließ, genussvoll jeden Stuhl zu probieren, zumal kein Schleudersitz darunter ist. Nun kann man vom Wanderweg aus auch sitzend die Nahsichten zum Hainich und die Fernsichten zum Thüringer Wald genießen. Da die Sitzobjekte Kunst sind, von welcher kein Nutzen erwartet wird, muss die Sitzfunktion erst einmal entdeckt werden. Bei der Sitzbank aus Sandsteinfindlingen „Wegmittetafelgerade“ mit fünf herausziehbaren Sitzbalken von Frank Meyer ist etwas Mühe nötig, sich hinauf zu schwingen. Aber sonst sind die Sitze in gefälliger Höhe. Sitzgemeinschaften ließen sich sogleich auf der fünfteiligen Ytong-Kunststein-Felsenformation von Daniela Tscheslog nieder, ebenso auf dem Edelstahl-Flugobjekt von Siegfried Appelt. Mit einem Platz zu Füßen seiner folkloristischen Frauenfigur lädt der Pole Bizek zur Rast ein. Für Kinder besitzt das Eichenblatt des Försters Bodenstein die Bequemlichkeit einer Liege wie den beliebten Wiedererkennungseffekt. Ein aufrechtes Sitzen fordern dagegen die Doppelbank des Türken Özütürk aus rundgebogenen Baustahl und der Stelenstuhl Hans Reiches. Mit diesen schönen Bequemlichkeiten dürfte der Slogan immer zutreffender werden: „Früher fuhr man durch Behringen durch, heute fährt man hin“.

 

Feuilleton der Thüringer Allgemeine (21. Mai 2002)

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