Einführende Worte zum Abschluss des Symposiums „Neubeginn und Anfang“ am 4.9.2010 in Behringen/Hütscheroda

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kunstfreunde, liebe Künstler,„Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“ Hermann Hesse

Seit dem Beginn der Menschheit beschäftigt man sich mit dem Kreislauf des Lebens. Die Spurensuche nach dem Werden und Sein setzt frühzeitig ein. Beginn und Anfang, Leben und Tod bilden ein Paar, das sich in einem ewigen Kreislauf bewegt. Erst nach einem Ende, kann ein Neubeginn passieren. Erst aus einem Steinblock schlägt der Bildhauer ein neues Kunstwerk, das sich entwickelt und vollendet wird. Anfang und Ende, Alpha und Omega, Hier und Da, Vergangenheit und Zukunft, in jenen Wortpaaren erlebt man die Kreisläufe von werden und Vergehen, die sich stets einander bedingen. Jeder kennt diese oder eigene Symbole, die Beginn und Anfang einschließen. Überall gibt es einen Uranfang und einen Endpunkt, so scheint alles endlich zu sein. Ein Anfang ist immer wieder ein (Neu)Beginn, etwas Neues und Anderes beginnt, wenn etwas Altes zu Ende geht. Wir selbst verändern uns, wir machen immer wieder neue Pläne, wir gestalten unser Leben in einem unendlichen Rhythmus. Aber jede Entwicklung verlangt nach einer Veränderung, jeder Steinblock will behauen werden, jede Leinwand bemalt werden. Im Fluss des Lebens werden wir nicht immer gefragt, ob wir diese Veränderung  gerade jetzt wollen. Manche Ereignisse konfrontieren uns mit Neuem, um das wir gar nicht gebeten haben. Es liegt immer Unsicherheit darin, einen Neuanfang machen zu müssen oder ihn zu wagen. Doch in jeder Wagnis liegt auch die Chance, etwas zu gewinnen, vielleicht mehr Lebendigkeit zu erwerben, denn alles steht im Fluss, alles ist Veränderung. Für die Künstler des diesjährigen Symposiums spielt das Thema: Neuanfang und Veränderung eine wichtige Rolle. Jene 6 Künstler zeigen mit ihren Kunstwerke diese Thematik. Wir sehen eine Veränderung im Stein, auf den Oberflächen, im Stahl und im Landschaftsraum, der neu bestückt wird. Neu-Beginn und der Vollendung zeigen sich zugleich. In unterschiedlichen Handschriften erzählen sie ihre Erfahrungen mit dem Kreislauf des Lebens, dem Loslassen, dem Neuanfangen oder auch von der Stagnation, aber auch den Mythen, Legenden oder den Alltagsgeschichten, sie werden in gleicher Weise beschrieben, in die Gegenwart, ja in den Naturraum gebracht und umgesetzt und abgebildet. Jeder Künstler hörte auf seinen eigenen Rhythmus bei der Umsetzung des Gedankens zum Neubeginn, Anfang und Ende.


I. Valeriu Ciumacu (Ukraine)  „Die Rippe Adams“, Sandstein
„Eine Hommage an die Schönheit der Frau“ - V. Ciumacu


Eine weibliche liegende Sandsteinfigur schält sich langsam aus einem Steinblock. Der Bildhauer erschafft sich, einem Pygmalion gleich, eine Figur, haucht ihr seinen Odem, durch seine Handschrift, ein. Eine liegende Figur, gehauen aus dem festen Sandstein, lagert einer „Ruhenden Venus“ gleich in der Landschaft. Still wirkt sie und sie ist in sich gekehrt, so scheint sie sich aus der Steinhaut selbst zu schälen, für einen Moment der Stille erwacht sie. Stück für Stück erwuchs sie im Schaffensprozess durch das Abtragen der harten Steinhaut, es schien ein Eingreifen in den Stein zu sein, der durch seine  Festigkeit der Oberfläche dieses Steinwesen langsam erschaffen lies. Im Inneren schlummert nun die Liegende Eva. Der Bildhauer selbst war der Schöpfer jener „ersten“ biblischen weiblichen Gestalt, wenn man von der Lillith ansieht, die dem Mann „untertan“ war,  die nun ihre weichen und sinnlichen Formen präsentiert. Die Erschaffung der Eva erfolgte aus einer gebogenen Linie, einem Symbol für Harmonie, Anmut und Schönheit. Nur angedeutet, erscheint die Figur, die sacht aus dem Schlaf erwacht. Eva wird zum Sinnbild der Frau schlechthin. Adam selbst bleibt als Betrachter zurück. Es ist keine Adam und Eva Darstellung, nein, hier wird nur der Frau gehuldigt und trotzdem spielt die Assoziation zum Alten Testament bei ihm mit.


II. Roland Höft (Deutschland) „Abschied“, Sandsteinkoffer
„Man ist immer auf Reisen“ - R. Höft

Ein einsamer Koffer löst im Alltag auf Flughäfen oder in öffentlichen Gebäuden immer „Stress“ aus, man denke nur an Bombendrohungen. Der Sandstein-Koffer bei Höft wird zum Alltagssymbol. Er ist einfach und geradezu schlicht gestaltet. Er wird zum Symbol für Reisen, Unterwegssein, Neuanfang, Abschied und Aufbruch, all jenes steckt im Sandsteinkoffer des Bildhauers, der viel zu schwer ist, um bewegt zu werden. Durch seine Extremgröße ist er scheinbar im Hier und Jetzt angekommen und verharrt in der Nähe des Hotels. Ankunft und Abschied könnte man meinen. Im Inneren hält sich die Erinnerung fest. Er ist ein „Überseekoffer“ und steht am Ende als Symbol der Reise, ob er nun voll mit Erinnerungen oder Ballast ist, kann der Betrachter nur selbst erfahren. Auf die Reise kann jener Koffer nicht mehr gehen, betrachtet man seine Größe. Aber jeder ist ja ständig auf einer Reise, vom Hier in das Jetzt oder von der Vergangenheit in die Zukunft. Jener Koffer wird zum Symbol von Neubeginn und Abschied, denn Abschied kann auch eine Chance für einen Neuanfang sein. Eine Reise in die Erinnerung ist es, die vielleicht durch das Symbol des Koffers beendet ist. Die Pelerinage (Wallfahrt zur Kunst) ist begonnen.


III. Risto Eljas Immonen (Finnland) „Step to the new“, Stahlfigur
„Look back- go to the next“


Als der Liebende Orpheus sich nach seiner Eurydike umdrehte, verlor er sie  erneut. Zu wenig vertraute er den listigen Göttern auf dem Weg aus dem Hades. Verloren war sie, die zurück in die Schatten ging. Dieses Symbol fiel mir ein, als ich die Installation betrachtete. Was bleibt zurück? Verlust, Erinnerung, Einsamkeit oder Kraft und Freude. Für Orpheus begann die Zeit des Leidens, er verlor seine Freude am Spielen auf der Lyra. Jeder kennt den Blick zurück, nur noch ein kleiner Blick, sagt man sich, um das Bild der Vergangenheit noch etwas in der Erinnerung zu behalten, so schließt man die Augen, verharrt im Moment. Eine Figur erhebt sich, spricht mit dem Schatten und befreit sich aus der Stahlhaut, sie kommt in das Jetzt und unterlag auch der Metamorphose. Ein Blick geht in der Installation zurück, vorbei an einer Stahltür, die jetzt offen steht. Eine zarte Figuration schält sich heraus, sie geht durch oder aus einem Schatten. Jetzt schreitet sie in einen neuen Raum, der anders und verwandelt erscheint. Hier trifft Vergangenheit auf Zukunft, Reales auf Surreales. Eine zarte lineare Figur wurde aus dem festen Stahl gesägt, um in den realen Raum zu kommen.


IV. Rumen Mihov Dimitrov (Bulgarien) „Restart“, Sandsteinmodul
„Alles beginnt von neuen“


Runde Module sind in Bewegung, sie wirken technisch und sind doch in der Bewegung angehalten wurden. Es sind ein Restart passiert, ein kurzes Anhalten machte das möglich, in der Bewegung zu verharren. Bewegung ist alles, durch Bewegung wird jeder Körper verändert, verwandelt, manchmal auch neu definiert. Der Restart in seiner Form hält einen Zustand an, verändert ihn oder definiert ihn neu. To restart heißt: Neustarten, wieder beginnen, nochmals starten, wieder anlaufen lassen. Restart meint Neubeginn oder Neuanfang. Mit einem Modul aus Stein beginnt  ein neuer Kreislauf, der sich selbst in Bwegung hält. Eine runde Form wird zu Symbol für Bewegung, für Kraft und Neubeginn. Dabei greift er auf die alte Form des Rades zurück, ein Zeichen für Fortbewegung und Voranschreiten.


V. Klaus Müller (Deutschland) „90° West 1° Süd“, Lavablöcke
„Ein Raum, den die Menschen nicht erreichen können“ K. Müller


Im 21. Jahrhundert gibt es immer wieder Natur und Umwelt zu schützen, zu bewahren und zu erhalten. Einen Schutzraum zu suchen und zu finden, ist wohl das Ziel vieler Menschen. Leider gibt es solche Räume nicht mehr, an denen sich eine besondere Atmosphäre entwickelt und in Ruhe entwickeln kann, der Mensch verändert die Natur und wir erleben die Zerstörungen und Gewalten als eine Rache von Mutter Natur immer wieder. Zu oft schon hat der Mensch in die Schöpfung eingegriffen, um sich solche Schutzräume zu erhalten. In der Installation von Müller wird der Versuch angestrebt, drei „ geschützte Räume“ erwachsen zu lassen, die in einer Höhe von 6 m sich selbst entwickeln sollen. So werden sich neue Räume bilden, werden sich neue Formen abzeichnen, die vom Menschen nicht mehr erreicht werden können.  Drei Lavasteine aus der Vulkaneifel dienen als Grundlage für die Entwicklung eines neuen Biotopen, der auf de Steinen entstehen soll, denn er pflanze kleine Steingewächse an, die hier eine neue Grundlagen zum Wachsen erhalten sollen. Wind, Wetter, Regen und ein Hauch Magie wird diesen Biotopen verändern und beeinflussen.


VI. Georg Mann (Deutschland) „Am Anfang war...“, Natursteinei  
„Eine Entwicklung in der Landschaft“ G. Mann


Das Symbol des Eis ist wohl in der Kunstgeschichte das älteste Zeichen für Beginn, Leben und Anfang. Eine große gebaute Eiform, aus Sandsteinplatten und Erde, fügt sich in eine Landschaft ein, die hier auf der Kuppe mit Blick in die Landschaft einzigartig und schön ist. Der Blick geht in das Thüringer Land. Ein Ei entwickelte sich, aus einer Urform wurde eine künstlerische Gestaltung, die in der Gegenwart präsent ist. Seine Form ist groß und nicht im tradierten Sinne glatt und klein, seine Oberfläche ist unterbrochen von der Vertikalverlagerung des Sandsteins, der die Außenhaut strukturiert und verändert und doch bleibt die Eiform als Symbol sichtbar. Kein „Osternest“, sondern ein Gebilde, das zum Symbol für Leben wird. Man könnte meinen, ein Reptiel lagerte hier sein Ei ab, aber es entschlüpft nur die Kunst.


Abschluss:

Wenn hier am Randes des Nationalparks Kunst und Natur immer wieder zu einer Einheit werden, erschufen die Künstler zum Symposium 2010 hier Symbole und Zeichen, die den Landschaftsraum neu gestalten und diese Synthese zeigen. Anfang und Neubeginn scheinen sich immer wieder im Kreislauf der Zeit zu begegnen, in der Unendlichkeit jener Gesetzmäßigkeit werden die Stationen des Lebens beschrieben, die in allen Kulturen zu finden sind. Im Kreissymbol, in der Liegenden Linie, im Quader, in der Schattenfigur, im Eisymbol oder bei der Suche nach einem neuen Biotopen. Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der bis zum Ende vielleicht seinen Zauber nicht behält, wohl aber immer wieder zu einem neuen Zauber werden kann. In diesem Sinne erkunden Sie mit allen Sinne Kunst und Natur in gleicher Weise.
Danke.

Diana Trojca M.A.; Kunsthistorikerin
Erfurt, im September 2010